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zu gemeinsamem/Kulte und in weitem Umfange auch zu gemeinsamer
Wirtschaft. AttmÄchtich aber reift der Staat heran, er kann nur auf
Kosten der Sippe erstarken.") Ihr Gefüge lockert sich. In immer steigenden.
Umfange übernimmt der Staat ihre Aufgaben. Sie wird wieder zu einem
engeren, nach der Nähe der Verwandtschaft abgestuften Kreise ohne Organi
sation. Der Gegensatz zwischen MMigiLMid bloßer Uogimnon (Vater
sippe und Muttersippe) schwindekl Am längsten bleiben Vormundschaft
und Erbrecht diesem losen Verwandtenkreise gewahrt. Doch auch hier
drängt der Staat die Sippe zurück. Wir können diese Entwicklung ver
folgen bis auf den heutigen Tag. Noch die Teilnovelle vom 12. Oktober
1914 bringt einen Schritt in gleicher Richtung, indem sie das gesetzliche
Erbrecht der ehelichen Verwandten zugunsten des Staates beschränkt.
2. Hingegen behält die SM^r^Aanli^ie dauernd ihre Bedeutung als
Grundlage unseres gesellschaftlichen Lebens. Von ihr spricht § 44, „Die
Familienverhältnisse werden durch den Ehevertrag gegründet." Und Z 91
bezeichnet als ihr Haupt den Mann. Die Familie in diesem Sinne besteht
aus den Ehegatten und den ihrer Gewalt unterworfenen Kindern.
Auch die engere Familie hat eine lauge Geschichte, auch sie lockert
sich allmählich, aber es ist nicht das Interesse des Staates, sondern das
des Einzelnen, das am Familienbande rüttelt. Bei vielen (auch bei den
indogermanischen) Völkern bestand einst die Großfamilie?), die unter
der Gewalt des Familienvaters in gemeinsamem Haushalte Frau und
Kinder und..Schwiege rtöcht er, Enkel und Urenkel vereinigt.«) Ihr ent
ziehen sich die erwachsenen Söhne, indem sie eigene Sonderfamilien
gründen. Der Frau gelingt es im Laufe der Zeit immer mehr, die ehe-
männliche Gewalt abzuschütteln, uni als gleichberechtigte Genossin an
die Seite des Mannes zu treten. Das Eheband selbst wird schwächer,
seine Lösung immer leichter. Auch die wachsende Fürsorge für die un
ehelich Geborenen tut der auf die Ehe gegründeten Familie Eintrag,
immerhin bieten Gesetz und Glaube, Sitte und Gewohnheit ihr heute
noch einen mächtigen Halt.
II. Mit der Ermittlung der Verwandtschaftsverhältnisse befaßt sich
die GEalogia») Stammtafeln stellen die Nachkommenschaft, Ahnen
tafeln die Vorfahren einer Person dar. Der Stammbaum gibt der
Stammtafel die Gestalt eines BaumesL")
Vorfahren und Nachkommen sind miteinander in gerader Linie
verwandt. Jene bilden die aufsteigende, diese die absteigende Linie. Nach
8 42 ABGB. werden unter dem Namen Eltern in der Regel alle Ver
wandten der aufsteigeuden und unter dem Namen Kinder alle Ver-
°) Lamprecht, Deutsche Geschichte
Bd.2 S. 17b, v. Amira, Grundriß
des germau. R. § 85
') E. Grosse S. 10.
8) Vgl. z. B. Jolly, Recht und Sitte
S. 77.
°) O. Lorenz, Lehrbuch der Genea-
logie 1898, E. Devrient, Familicn-
forschung 1911.
Er erscheint gelegentlich schon bei
den Römern und ist durch Johannes
Andrea (f 1348) allgemein bekannt
geworden. E. Devrient, S. 4, O.
Lorenz, S. 95..