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8 442.
Zweiter Abschnitt.
Rechtsverhältnisse nach Auflösung der Ehe.
§ 442 .
X. Gesetzliche Unterhaltsansprüche.
I. Die gewöhnliche Verpflegung. Der Anspruch auf den an
ständigen Unterhalt, den § 91 ABGB. der Frau gewährt, erlischt mit
dem Tode des Mannes?) Verträge und gesetzliche Bestimmungen, eigenes
Vermögen und eigene Arbeit bieten fortan der Witwe ein anderes, oft
erheblich geringeres Einkommen. Die Erschließung der neuen Einkommens
quellen und die Anpassung der Lebensführung kann sich nicht im Augen
blick vollziehen. Nach altem deutschen Rechte bot der „Dreißigste" den
Hinterbliebenen die nötige Schonung. 2) Die Erbschaftsauseinandersetzung
wurde bis zum dreißigsten Tage verschoben. Inzwischen blieben die Witwe
und andere Angehörige im Sterbehause und zehrten von den Vorräten?)
An diesen Brauch knüpfen das deutsche Gesetzbuch (Z 1969) und das
schweizerische (Art. 606) an; das französische gewährt der Witwe längere
Fristen (Art. 1465, 1570). Auch in den österreichischen Ländern war
der Dreißigste bekannt?) Unser Gesetzbuch bringt ihn, indem es die
Frist auf sechs Wochen verlängert, mit einer andern Einrichtung in
Verbindung, nämlich mit der Fürsorge für die schwangere Witwe?)
Unter dem Gesichtspunkte einer mittelbaren Fürsorge für den ungeborenen
Erben hatte schon das römische Recht der Schwangeren den Unterhalt
aus dem Nachlasse bis zur Entbindung gesichert und dieser Gesichts
punkt ist auch für das deutsche Gesetzbuch (Z 1963) und für das schwei
zerische (Art. 605) maßgebend geblieben. Unser Gesetz will, wie das
ältere deutsche Recht, nur für die Witwe sorgen^), uicht auch z. B. für
die Schwiegertochter, deren Leibesfrucht zur Erbschaft berufen ist, aber
für die Witwe sorgt das Gesetz — im Anschlüsse an deutsches Stadt
recht — noch über die Entbindung hinaus durch sechs Wochen?) iSo
sind im § 1243 zwei Ansprüche vereinigt, die ursprünglich miteinander
nichts gemein haben und die noch im heutigen deutschen Rechte ganz
verschieden behandelt werden?)
*) Auch wenn er durch Vergleich oder
Urteil festgesetzt ist. Oben § 436 Rote 23,
Art. 146 ital. GB., Art. 15« span. GB.
Schiffner, Gesetzliche Vermächt
nisse § 33.
°) Sachsenspiegel I 20 8 2, 22 8 1,
Ho meyer, Der Dreißigste 1864, Sie
gel in Krit. VJSchr. 7, 276 f., O.
Stobbe, Deutsches Privatrecht IV
8 281.
si Unger, Verlassenschaftsabhand
lung S. ölff., Bartsch, Eheliches
Güterrecht S. 76.
°) Schiffner a. a. O. S. 34.
«) Ebenso Art. 064 span. GB.
') Die Redaktoren des DBGB. lehn
ten diese Ausdehnung des Unterhalts
anspruches ab, weil sie „zu einer un
billigen Belastung des Nachlasses führen
könne". Prot, der zweiten Lesung V
S. 617.
°) Der Anspruch der Schwangeren