Full text: Familien- und Erbrecht (Bd. 2, 2. Hälfte)

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VollzA. vom 23. September 1920, StGBl. Nr. 439). Die Zuständig 
keit richtet sich nach dem Aufenthaltsorte. Pflegschaftsgerichtsbarkeit und 
Strafgerichtsbarkeit sind in einer Hand vereinigt?-») 
Vormund, Kurator und Beistand sind Bestellte des Gerichtes. Aber 
das Gericht ist nicht etwa«) der eigentliche Vertreter des Pflegebefohlenen 
und der Vormund nur sein Substitut. Vielmehr ist nur der Vormund und 
nicht das Gericht Ker.tt.eter. Das Gericht kann nicht im Namen des 
Pflegebefohlenen einen Vertrag schließen oder gar einen Prozeß führen. 
Das kann nur der Vormund oder Kurator, der allerdings an die 
Weisungen des Gerichtes gebunden ist und von ihm beaufsichtigt wird?) 
III. Bei der Größe der Gerichtsbezirke ist es dem Richter ganz un 
möglich, alle Pflegebefohlenen kennen zu lernen oder gar fortgesetzt im 
Auge zu behalten. Der Aufgabe, zwischeu den Gerichten und der Be 
völkerung zu vermitteln, unterzogen sich früher private Vereine, indem 
sie nach dem Vorbilde der deutschen Gemeindewaisenräte die Vormnnd- 
schaftsgerichte unterstützten?) Die Teilnovelle von 1914 knüpft an diese 
Einrichtung an. Sie schafft Vo.r,nundschaftsrätL „zur Unterstützung 
der Gerichte bei Ausübung der Vormundschafts- und .Kuratelsgerichts 
barkeit" (Z 284 ABGB.). In der Regel soll im Gebiete einer jeden 
Gemeinde ein Vormundschaftsrat bestehen. Seine Mitglieder (die Waisen 
räte) bekleiden ein Ehrenamt. Die Vormundschaftsräte sind nicht selb 
ständige Behörden, aber auch nicht, wie ihre Vorläufer, private Körper 
schaften, sondern Hilfsä mter des Gerichtes (Z 36 TN. I). Sie zeigen den 
Gerichten Tatsachen an,"die zu Verfügungen Anlaß geben, z. B. die Fälle, 
wo es eine Vormundschaft anordnen oder verlängern muß (8 32, Z. 1 TN.) 
oder wo es gegen einen Vater wegen Mißbrauches der Gewalt ein- 
schreitcn soll (Z 32, Z. 2). Sie schlagen Vormünder, Beistände und 
Kuratoren vor (§ 32, Z. 3), können mit der Abnahme der Angelobung 
betraut werden- (Z 33), erstatten Gutachten (ebenda), beaufsichtigen die 
Pflege und Erziehung, wo dies nötig ist (Z 38) nsf. 
Die Vormundschaftsräte sind nur in einem kleinen Teile des Bundes 
gebietes wirklich ins Leben getreten?-») Die Regierung scheint die ganze 
Einrichtung für unzweckmäßig zu halten.^) Deshalb wurde die in TN. I, 
Mitt. im JMBBl. 1920 S. 180. 
Wie Krainz unter Berufung auf 
ALR. II 18 8 236 behauptet. 
') Bgl. v. Harrasowsky, Entw. 
Martinis S. 68 Note 10 und über die 
Praxis Kästner, GZ. 1911 Nr. 14 
(IM. 1911 Nr. 8). 
2 ) Entsch. Slg. XV Nr. 6964, Franz 
Janisch, Der Gemeindewaisenrat 1902, 
Jugendfürsorge und Kinderschuh 3. Aufl. 
1908, Praktische Organisation des 
Kinderschuhes 1910, Ders., NotZ.1901 
Nr. 34, 1902 Nr. 21, 1903 Nr. 16, 1904 
Nr. 22, 28, 1907 Nr. 27, 1909 dir. 41, 
Oerman, Die Gemeindewaisenräte in 
Böhmen 2. Aufl. 1908, Gargas, GZ. 
1910Nr.43—46. Vgl.auch Kraus ebda. 
1904 Nr. 6, Reicher, Fürsorge für die 
verwahrloste , Jugend S. 187, 424, 
Altmann, Über den Waisenrat GZ. 
1902 Nr. 16, v. Anders, Grundriß 
S. 104 f. 
"si X. Wo bleiben die Vormuud- 
schaftsräte? JBl. 1917 Nr. 6 W. Siegel 
NotZ. 1918 Nr. 28. 
Bgl. die Begründung des Zieh- 
kinderschutzgesehes (Prov. NatBers.Beil. 
121) bei Suchnuek, Ziehkiuderschutz- 
geseh S. 33.
	        
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