Full text: Familien- und Erbrecht (Bd. 2, 2. Hälfte)

20 
8 425. 
wäre damit doch noch nicht dem Geschlechtsverkehre vorgebeugt, um 
den es sich bei alledem eigentlich handelt. 
Unabweisbar ist jedoch die Forderung, daß ein Ehegatte nicht in einer 
irrtümlich eingegangenen Ehe festgehalten werde, die er in Kenntnis 
der Krankheit und ihrer Folgen niemals abgeschlossen hätte. Das allzu eng 
abgesteckte Hindernis des Irrtums bedarf daher der Erweiterung Nach 
dem schweizerischen Gesetzbuche (Art. 125) ist eine Ehe anfechtbar, wenn 
dem Gatten eine Krankheit verheimlicht worden ist, die seine eigene 
Gesundheit oder die der Nachkommen in hohem Maße gefährdet?) Noch 
weiter geht das deutsche BGB. (8 1333 )?o) Nach dem geltenden oster-. 
rcichischen Rechte wäre Abhilfe möglich, wenn eine freie, den heutigen 
Anschauungen Rechnung tragende Auslegung sich entschlösse, denjenigen, 
dem der Arzt um seiner Krankheit willen den regelmäßigen geschlecht 
lichen Verkehr verbieten muß, als unvermögend zur Leistung der eyelichen 
Pflicht (Z 60) zu behandeln.") 
Die ärztliche Untersuchung kann, auch wenn ehewidrige Krankheiten 
nicht gesetzlich als Ehehindernisse erklärt werden, zur Verhütung unheil 
vollen Irrtums dienen. In diesem Sinne ist sie von vielen Seiten, 
insbesondere auch in den Verhandlungen der Berliner Gesellschaft für 
Rassenhygiene (1917) empfohlen worden: jeder Verlobte soll vor der 
Trauung ärztlich untersucht und das Ergebnis dem andern Teile bekannt 
gemacht werden??) Auch der Innsbrucker Landtag hat die Einführung 
der obligatorischen ärztlichen Untersuchung verlangt. Sie würde schwerlich 
allgemeinen Beifall finden. Die in Wien und in Graz seit kurzem 
bestehenden Eheberatungsstellen untersuchen die Ehewerber nur auf 
Verlangen und stellen ihnen ärztliche Zeugnisse nur aus, wenn sie es 
wünschen. Diese Einrichtung hat sich, soweit dies sich zur Zeit schon 
erkennen läßt, gut bewährt. 
H 425. 
2. Persönliche Fähigkeit.') 
I. Wer zur Zeit der Eheschließung in erheblichem Maße geisteskrank 
oder geistesschwach oder sinnesverwirrt ist (Z 48) und wer zu dieser 
Zeit voll entmündigt ist (§ 3 EntmO.), kann nicht heiraten. 
°) Forrer, Rassenhygiene und Ehe 
gesetzgebung im Schweiz. ZGB. 1914. 
Reubecker im ArchBürgR. 81 
275. Vgl. Entsch. RG. 103 S. 322 (betr. 
Syphilis). 
") Vgl. auch Entsch. Slg. XI Nr. 4253; 
v. Hofmann-Haberda, Gerichtliche 
Medizin, 10. Ausl. S. 76. 
") Denkschr. der Berliner Gesellsch. 
für Rassenhygiene 1917, Abel, Zur 
Frage des Austausches von Gesundheits 
zeugnissen, Off. Gesundheitspflege 1920 
S.146,Hirsch,Ärztl.Heiratszeugnis 1921. 
A. Elster, Sozialbiologie (1923) S. 268. 
') Rittner, Eherecht §8 8—10, 
Singer Nr. 78, 81, I. Schwartz in 
der GH. 1891 Nr. 29, 30, v. Anders, 
FamR. 88 6, 6, Scherer S. 172f., 
265ff., Leitner 8 18, Häring 88 132, 
146, Krasnopolski 8 5, R. Köstler, 
Die väterliche Ehebewilligung 1908 
(Geschichtliches), A. Ho che, Geistes 
krankheit und Ehe in v. Noordens 
und KaminersHandb. (1916) S.798ff.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.