Full text: Familien- und Erbrecht (Bd. 2, 2. Hälfte)

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und dem der schrankenlosen Testierfreiheit stehen die drei Systeme der 
beschränkten Testierfreiheit — das französische, das deutsche und 
das mexikanische. Das^erste gewährt den Hinterbliebenen einen gesetz 
lichen Erbteil (die Reserpe), das zweite eine einmalige Abfindu ng i n 
Geld (Pflichtteil im engeren Sinne) und das dritte den^manqelnden 
Unterhalt. —" 
" " a) Las System der Res erve findet sich schon im syrisch-römischen 
Rcchtsbuche?) Danach zerfällt das Vermögen in zwei Teile. Den einen 
erhalten als „Reserve" die gesetzlichen Erben, über den andern kann 
der Testator frei verfügen. So verfügt er in Frankreich über einen je 
nach der Zahl der Kinder verschieden bestimmten Bruchteil (guotits ämpo- 
»ii.Is), in Italien ohne Rücksicht auf die Zahl der Kinder über die 
Hälfte, in den muselmanischen Staaten, auch wenn er keine Kinder hat, 
über ein Drittel des Nachlasses?) Drei Teile unterscheidet das spanische 
Recht:?) ein Drittel ist die Reserve, ein anderes Drittel der frei verfüg 
bare Bruchteil und das dritte Drittel ist die Mejora, über die der Erb 
lasser zwar verfügen kann, aber nur zugunsten eines Kindes. Will also 
der spanische Bauer den „Anerben" begünstigen, so wendet er ihm 
den verfügbaren Teil (ein Drittel) und die Mejora zu (ein Drittel). 
Sind nun im ganzen z. B. drei Kinder vorhanden, so erhält der An 
erbe außerdem noch ein Drittel der Reserve (ein Neuntel), im ganzen 
also sieben Neuntel, während die weichenden Geschwister sich mit je 
einem Neuntel begnüge» müssen. So wird eine volkswirtschaftlich nach 
teilige Überlastung des Besitzes mit Erbabfindungen vermieden. Bei uns 
gilt das System der Reserve nur für das Testament des wegen Ver 
schwendung, Trunksucht oder dergleichen Entmündigten. (8 568). 
d) Das System des Geldpflichtteil es s tammt aus d?m gemeinen 
Rechte?) Das österreichrsche^äs deutsche und das ungarische Recht 
halten daran fest. Danach kann der Erblasser über sein ganzes Ver 
mögen nach Gutdünken verfügen. Aber gewisse Angehörige haben, wenn 
sie im Testamente nicht ausreichend bedacht sind, das Recht, vom 
Testamcntscrbcn eine einmalige Abfindung in barem Gelde zu ver 
langen. Lue haben also kein Erbrecht, sondern ein Forderungsrecht. 
Man hat dieses System bei der Beratung des deutschen bürgerlichen 
Gesetzbuches bekämpft, weil es die Kinder von Haus und Hof weise. 
Mit Unrecht! Gerade dieses System ermöglicht es, den Besitz in der 
Familie zu erhalten, indem ihn ein Kind übernimmt und die andern 
abfindet?) 
o) Das System des Unterhaltsansprnches gilt in Mexiko, auch 
in Guatemala und in Kostarika. Hier erfreut sich voller Testierfreiheit, 
wer für niemanden zu sorgen hat. Unversorgte Kinder, Eltern und 
st v. Wöß S. 272. ,> 
st Koran IV 4, Mossadegh, lesta- 
inent en droit mu8nlman, S. 141. 
st Auch Peru und Chile kennen die 
Mejora. ! 
st Über das ältere römische Recht vql. 
v. Wöß, S. 802. 
st De ln Grasserie S. 30, v. Wöß 
S.305.
	        
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