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wenn man diese Grundsätze verleugnet, mag eine verunglückte Ent
scheidung") zeigen. Eine Witwe heiratete im zweiten Monate nach dem
Tode ihres Mannes. Da sie bereits fünfzig Jahre alt war, hielt der
Pfarrer ihre Nichtschwangerschaft für gewiß und vollzog die Trauung.
Die Witwe war denn auch nicht schwanger. Dennoch verlangten die
Erben des ersten Mannes, gestützt auf die altertümliche Vorschrift des
Z 121, die Herausgabe des Ehegewinnes (Widerlage und Wohnung). Die
Gerichte fanden den Anspruch begründet. Der Oberste Gerichtshof meint,
daß das Gesetz ein Verschulden der Frau nicht voraussetze. Abgesehen
davon liege aber ein Verschulden wirklich vor. Denn mit der Erklärung
des Pfarrers, es sei alles in Ordnung, habe sich die Frau nicht begnügen
dürfen, weil das Gesetz (§ 120) sich bestimmt ausdrücke und Unkenntnis
des Gesetzes nicht entschuldige (Z 2). Während sich also der Pfarrer
an Pfaff hielt (oben Note 12), hätte die Frau — vielleicht eine einfache
Bäuerin — die Ansicht von Dolliner vertreten, d. h. sie hätte erraten
sollen, daß der Oberste Gerichtshof diese Ansicht als die richtige er
klären werde. Den Mangel dieser Voraussicht büßt sie mit dem halben
Vermögen.
III. Dem Seelsorger ist es nach § 78 (K 127) 20) bei schwerer Strafe
verboten, die Trauung vorzunehmen, solange nicht die notwendigen Zeug
nisse beigebracht worden sind.21) Dahin gehören insbesondere
n) die Verkündigungsschcine,
b) der Ausweis über die etwa erforderliche Ehebewilligung (des
Vaters, des Vormundschaftsgerichtes, des Heeresministers),.
c) zum Beweise der Großjährigkeit, wenn sie nicht offenkundig ist,
der Taufschein oder ein Amtszeugnis des Vormundschaftsgerichtes22),
ä) die Nachweisung über das Nichtbestehen eines rege gemachten
Ehehindernisses, z. B. zur Vermeidung der zweifachen Ehe nach Um
ständen Ledigscheine und, wenn die einmal erfolgte Verehelichung be
kannt ist, jedenfalls das Zeugnis über die Auflösung der ersten Ehe,
z. B. der Totenschein des ersten Ehegatten (Z 62, oben. K 426, II),
a) bei Verehelichung eines Ausländers ein Zeugnis seiner heimat
lichen Behörde darüber, daß er die persönliche Fähigkeit besitze, einen
gültigen Ehevertrag einzugehen.2S) Österreichern werden derartige Zeug-
») Entsch. Slg. XII Nr. 4791. Tou-
aillon in den JBl. 1911 Nr. 6 nennt
diese Entscheidung mit Recht eine der
verfehltesten, die der OGH. je in die
Welt gesetzt hat. Sie beweist, wie sehr
der Richter neben seiner juristischen
Kunst des Rechtsgefühles bedarf, um
nicht auf Abwege zu geraten.
-°) Bgl. auch ME. v. 16. Juli 1877
Z.7438, 22. Okt. 1879 Z. 9482 betr.
die von ausländischen Pfarrämtern de
legierten evangelischen Pfarrer.—
Die gegen die Rabbiner gerichtete um
fassendere Strafbestimmung des § 130
BGB. ist durch Art. I KdMP. z.
StG.v.1852 aufgehoben worden. Löff
ler, Studienausgabe zu § 607 StG.,
Stooß, Strafrecht 2. Aufl. S. 407
Note 2; a.M. Lammasch JBl. 1904
Nr. 34.
v. Anders, Grundriß S. 26f.,
Häring S. 434f.
HfD. v. 22. Febr. 1817 JGS.
Nr. 1319.
2°) HKzD. v. 22. Dez. 1814 JGS.
Nr. 118. NME. v. 22. Nov. 1869
Z 17.602. Näheres bei v. Neumann-
Ettenreich S. 89ff., Walker S. 544ff.