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von einem Handeln nicht gesprochen werden, wo nur der Akt
einer unzurechnungsfähigen Person, beziehentlich gar keine Hand¬
lung vorliegt (M 343, 1310, 1321 u. a.), weshalb denn Unger
selbst sich genötigt sah, die Formel „Handeln auf eigene Gefahr"
nach Umständen in die Formel „Geschehen auf eigene Gefahr" umzu¬
ändern (S. 76, 134, „das Haus steht auf Gefahr des Hausherrn")?
Durch diese Bezeichnung kann jedoch der Gegensatz zwischen den
Fällen dieser Art („Geschehen auf eigene Gefahr") und den Fällen
der ersteren Kategorie („Handeln auf eigene Gefahr") nicht be¬
seitigt werden. Bei Geschehnissen ohne Hinzutritt menschlichen
Handelns versagt das obige Prinzip vollends.io Überdies dienen
gewisse Unternehmungen mit besonders gefahrbringendem Betriebe,
wie z. B. Eisenbahnen, nicht lediglich dem Vorteile des Unter¬
nehmers, sondern gereichen zugleich den unabweisbaren Bedürfnissen
ungezählter Volkskreise, — gereichen dem gesamten Publikum zum
Nutzen. Schließlich würde der von Unger aufgestellte Grundsatz zu
der Konsequenz führen, daß der (im eigenen Interesse) Handelnde
schlechthin auch für den Ersatz zufällig eintretenden Schadens zu
haften hätte, z. B. der Prinzipal für den Ersatz des durch seinen
Gehilfen schuldlos verursachten Schadens — eine Konsequenz, die
Unger selbst (I., S. 64, Nr. 7) mit Recht ablehnt. (Diese strengere
Haftung wird vom Gesetze nur ganz ausnahmweise statuiert; vgl.
das Ges. vom 5. März 1869, RGBl. Nr. 27, betreffend die Haf¬
tung der Eisenbahnunternehmungen.)
Die Erklärung aller oben berührten singulären Normen durch
einen einzigen Grundgedanken erscheint daher unmöglich. Vgl. auch
Schuster, S. 31, Ehrenzweig, I., 5. Ausl., S. 350, Schey,
Bevollmächt., S. 639, Pavlicek, Tilsch, 2alud in den zitierten
2 Die unbedingte Haftung des Eigen¬
tümers eines Hauses für den Ersatz des
durch den Einsturz des letzteren (vitio
asäium) entstandenen Schadens (so der
franz. Ooäs civil, Art. 1386, das
italien. BGB., § 1155, das Schwei¬
zer Obl.-R., Art. 58, 59 — nicht aber
dasdeutsche BGB., 8 836), kann nicht,
wie Unger S. 79, Nr. 18, meint, aus
der Vorschrift des ß 343 des österr.
ABGB. hergeleitet werden. Vgl. da¬
gegen Randa, Eigentum I., S. 138,
Besitz, S. 224 (4. Ausl.); Krainz-
Pfaff II., ZZ 420, 433, ferner Berat.
Protok. I., S. 239; Krasnopolski,
Grünh. Zeitschr. 22, S. 717; Mauczka
S. 355 flg. Der Z 343 ist daher in der
Praxis ziemlich bedeutungslos.
Vgl. auch Sperl: Über Schaden¬
ersatzrecht nach dem deutschen bürger¬
lichen GB. (1902), S. 3 flg. Die Ge¬
fährdehaftung ist, wie selbst Rümelin,
Schadenszurechnung, S. 56, bemerkt,
kein juristisches Prinzip, sondern nur
Tendenz. So auch die Motive zum
Herrenhausentwurf, betreffend die Re¬
vision des ABGB. (1912), S. 256; vgl.
N. 5.