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dient das Kilogrammgewicht, d. h. der Druck, den das im Pavillon
de Breteuil (S. 3) bei Paris aufbewahrte internationale Prototyp
des Kilo grammsdortselb st auf die ruhende horizontale Unterlage
ausübt. Als physikalische Gewichtseinheit dient — wenn nichts anderes
gesagt wird — der tausendste Teil der obigen Einheit, das Grammg’e wicht.
Das Pariser „Urkilogramm“, das aus Platin-Iridium gefertigt ist, übt in Paris nahezu
denselben Gewichtsdruck aus wie 1 dm3 chemisch reinen Wassers von + 4° C.
Würden wir das Pariser Kilogramm an einen anderen Ort der Erde bringen,
der mit Paris in der geographischen Breite sowie in der Höhenlage über dem
Meeresspiegel übereinstimmt, so würde auch der daselbst ausgeübte Gewichtsdruck
derselbe wie in Paris sein. Daher könnte als Einheit des Gewichtes auch
der an einem Orte von (rund) 45° geographischer Breite und von 0 m
Seehöhe von dem Pariser Urkilogramm oder von einer hiemit voll¬
kommen übereinstimmenden Kopie auf eine ruhende, horizontale
Unterlage ausgeübte Gewichtsdruck gelten. Würde aber dieses Normal¬
kilogramm an einen Ort der Erde gebracht, der in seiner geographischen Breite
sowie in der Seehöhe von den obigen Angaben abweicht, so würde der daselbst
vorhandene Gewichtsdruck ein anderer; er würde mit wachsender geographischer
Breite sowie mit abnehmender Höhenlage zunehmen, dagegen mit abnehmender
geographischer Breite sowie mit zunehmender Seehöhe abnehmen. Die Erklärung
hiefür kann erst später (Art. 144 u. 152) gegeben werden.
17. Statische Messung einer Kraft. Da die Einheit des Gewichtes
— das Kilogrammgewicht — durch den Druck auf eine ruhende hori¬
zontale Unterlage an einem und demselben Orte der Erde eine Kraft von
unveränderlicher statischer Wirkung vorstellt, kann man andere Kräfte
mit dieser Krafteinheit vergleichen, beziehungsweise messen. In diesem
Sinne stellt also der Gewichtsdruck des Kilogrammgewichtes die
Einheit der Kraft, gemessen im sogenannten Gravitationsmaße,
vor. Die Kraft von n solchen Krafteinheiten wird durch den Gewichtsdruck
von n vereinigten Kilogrammgewichtstücken hervorgebracht.
Die in Rede stehende Kraftmessung geschieht statisch, d. h. durch Her¬
stellung des Gleichgewichtes zwischen der zu messenden Kraft und der
durch Kilogrammgewichtstücke geleisteten Vergleichskraft. Dabei kann man,
wenn nötig, eine Rolle (Art. 43) zur Abänderung der Richtung des Zuges
anwenden. Oder man kann eine Federwage (Art. 61), deren Hauptbestandteil
eme starke elastische Feder ist, die entweder auseinandergezogen oder zusammen¬
gedrückt wird, durch allmähliches Belasten mit 1, 2, 3 .. . Kilogrammgewicht¬
stücken eichen, indem man z. B. die jeweilig hervorgebrachten Verlängerungen
der Feder an einer Skala markiert. Dehnt dann irgend eine zu messende Kraft die
^piralfeder dieser Wage bis zu jenem Teilstrich aus, bei dem beim Eichen die
Belastung der Wage n kg betrug, so ist die zu messende Kraft gleich n Kraft¬
einheiten im Gravitationsmaße (Feder-Kraftmesser oder Feder-Dynamometer).
Würden drei gleichartige Federwagen, und zwar eine in Paris, die zweite am Äquator,
die dritte im hohen Norden nach dem „Urkilogramm“ geeicht, so würde eine und dieselbe
au, mit den drei Apparaten gemessen, verschiedene Stärke zu besitzen scheinen. Da sich
eben die Gewichtseinheit mit dem Orte ändert, ist auch die statische Messung der Kraft
vom Beobachtungsorte abhängig. Warum würde aber die in Paris mit dem „Urkilogramme“
geeichte Wage überall ein richtige Resultate liefernder Kraftmesser sein?
üosouberg, Physik f. d. oberen Klassen.
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