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der ersten Art als Erscheinung des Zusammenhanges oder der Kohäsion
geltend; bei einer Verkleinerung der Entfernung äußern sich hingegen die
Kräfte der zweiten Art als Ausdehnsamkeit oder Expansion.
In dem verschiedenen Verhalten der beiden Arten von Molekularkräften liegt die
Erklärung der verschiedenartigen Zusammen häufung oder Aggregation der Moleküle
•oder der verschiedenen Aggregatzustände, für deren Unterscheidung im Art. 5 nur
beiläufige Kennzeichen gegeben wurden. Wir bleiben nämlich mit der Erfahrung im Ein¬
klang, wenn wir annehmen, daß bei festen Körpern eine beträchtliche Kohäsion
vorhanden ist, weshalb diese Körper einer Trennung ihrer Teilchen einen ziemlich großen
Widerstand entgegensetzen. Deshalb besitzen sie (auch in ganz kleinen Mengen) eine be¬
stimmte oder selbständige Gestalt und ein bestimmtes Volumen. Dagegen be¬
sitzen die flüssigen Körper oder Flüssigkeiten in der Regel eine verhältnismäßig
geringe Kohäsion. Ihre Teilchen lassen sich schon durch sehr geringe Kräfte voneinander
trennen und gegeneinander verschieben, sie fällen sogar schon infolge ihres (gewiß sehr unbe¬
deutenden) Eigengewichtes auseinander. Ausgießen einer Flüssigkeit auf dem Fußboden.
Einfüllen von Flüssigkeiten in Gefäße. (Vergleich mit Grieß, Sand usw.) Die Erscheinung
der Tropf enbildung zeigt das Vorhandensein eines gewissen Zusammenhanges
der Flüssigkeitsteilchen (vgl. Art. 74). Den Flüssigkeiten kommt somit wohl ein be¬
stimmtes Volumen, aber nur in kleinen Mengen eine selbständige Gestalt (kugel¬
förmige Tropfen) zu. Endlich besitzen die Teilchen der luftförmigen Körper oder
base eine äußerst geringe Kohäsion. Dagegen suchen sich die Gasteilchen in dem
ihnen dargebotenen Raume so weit als möglich voneinander zu entfernen, so daß die
base beständig bestrebt sind, ihr Volumen zu vergrößern. Man sagt deshalb auch, daß
die Gase die Eigenschaft der Ausdehnsamkeit oder Expansion besitzen (vgl. Art. 78).
Deshalb machen sich auch geringe Mengen riechbarer Gase selbst in größeren Räumen
bemerkbar. Die Gase besitzen somit weder eine selbständige Gestalt noch ein
bestimmtes Volumen.
61. Arten der Körper. Elastizität und Festigkeit. Die Größe
der Kohäsion ist bei verschiedenen festen Körpern im allgemeinen verschieden.
Wir unterscheiden harte Körper (z. B. Kiesel, Eisen usw.), die im Gegen-
satze zu weichen Körpern (z. B. Talg, Butter u. a.) äußere Eindrücke nur
schwer annehmen. Spröde Körper (z. B. Glas, Siegellack, Schwefel usw. im
festen Zustande) zerspringen leicht, wenn man sie nur wenig biegt. Dagegen
vertragen zähe Körper (z. B. die früher genannten spröden Körper im ge¬
schmolzenen Zustande, ferner gewisse Metalle, wie Schmiedeeisen, Kupfer, Silber,
Bold usw.) sehr beträchtliche Veränderungen ihrer Gestalt, ohne den Zusammen¬
hang ihrer Teilchen zu verlieren.
Statt des Ausdruckes „zähe“ gebraucht man auch die Bezeichnungen hämmerbar,
geschmeidig, dehnbar u. a. Mitunter kann ein und. derselbe Körper durch verschiedene.
Behandlung spröde, oder .geschmeidig gemacht werden. Weichmachen, Härten und Anlaufen,
assen des Stahles, Glaswolle, Glastränen, Bologneser Flaschen, Hartglas.
Sucht man das Volumen oder die Form eines Körpers oder beide zu¬
gleich gewaltsam zu verändern, so treten diesem Bestreben Kohäsion und
Expansion des Körpers als Widerstandskräfte entgegen. Jedesmal suchen
dabei die genannten Molekularkräfte nach dem Aufhören der form verändernden
Kräfte das frühere Volumen, beziehungsweise die frühere Form der Körper
wiederherzustellen. Dieses Bestreben bezeichnen wir als Elastizität, die
sie hervorrufenden Molekularkräfte werden auch als elastische Kräfte oder
der Kräfte bezeichnet. Nach dem Gesagten ist zu unterscheiden zwischen
lastizität der Gestalt und Elastizität des Volumens.
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