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Karl Schalk.
j_Wi ens Absage.
Am 24. Juni 1462 ging bekanntlich der zwischen dem
Kaiser und dem Erzherzog geschlossene Waffenstillstand zu End£f
Es ist eine merkwürdige Ironie der Geschichte, daß, so lange
der Waffenstillstand dauerte, die kriegerischen Ereignisse kein
Ende nahmen und daß von dem Zeitpunkte an, als der Waffen¬
stillstand zu Ende ging, unsere gut unterrichteten, fleißigen
Chronisten, die uns so viel interessantes Detail aufbewahrt
haben, Ebendorffer und der Anonymus, bis zur Absage der
Wiener an den Kaiser am 5. Oktober 1462 nichts Kriegerisches
zu berichten wissen. Freilich bricht auch die wertvolle \\ iener
Aktensammlung, deren erster Teil uns Kollar als Sylloge diplo-
rnatum Austr. Friderici III., deren zweiten Zeibig als Copeybuch
der gemainen stat Wien zugänglich gemacht haben, mit einem
Stücke vom 3i. Juli 1462 ab, an das als nächstes erst ein
solches vom 28. August 14öS sich anschließt. In die Zwischenzeit
fallen allerdings jene aufregenden Vorgänge in Wien, die wir im
Kapitel IV erzählen werden. Aber Ereignisse kriegerischen Cha¬
rakters fallen, wie gesagt, in diese Zeit nicht. Hier nur so viel:
(wie im Jahre 1452 anläßlich der Befreiung des jungen ^2 jährigen
Königs Ladislaus aus der vormundschaftlichen Gefangenschaft des
Kaisers • Friedrich III. der kaiserlichen patrizischen Ratspartei
die Zügel des Stadtregiments entglitten und die Wiener im
Kampfe dem Kaiser mit den W affen entgegen traten, so wiederholte
sich dieser Vorgang nach 10 Jahren, im Jahre 1462, und kam
in der Absage vom 5. OktobeCj) zum Ausdrucke und Ausbruche.
Der Inhalt der sehr logisch gegliederten Absage zerfällt in vier
in chronologischer Reihe angeordnete Hauptteile.
I. Kritik der Regierungstätigkeit Friedrichs als Vormund
des Königs Ladislaus und die folgende Zeit 1440—1460J
«Allerdurleuchtigister kayser, allergnedigister herr etc. Wir
der burgermaister, richter, ratt, genant und die ganz gemain der
stat zu Wyenn haben Ewern k. Gnaden menigermaln unser
merkhlich und gross anligund notdurft schriftlich und mund-
0 Mat. z. österr. Gesch. II, 268, Nr. CCIX und Anonym. Rauch, 85ff.
Gleichzeitige Abschrift HHStA.