Einleitung.
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enthält, obwohl die revolutionären Patrizier Bürgermeister Wolf¬
gang Holczer und seine hervorragendsten Agitatoren, die Rats¬
herren Dr. med. et chir. Hans Kirchaimer und Hans Odenakcher,
sich auf die Handwerkerschaft als ihre Kerntruppe stützten; ein
Hand werkerregiment in Wien zu gründen war also gewiß nicht
ihre Absicht; in deutschen Städten wie in Frankfurt a. M. bestand
ja tatsächlich, wenigstens zeitweilig, ein solches.1) Die frühere
Wiener Ratspartei hatte die Handwerkerschaft in der Regel mit «Ge-
nanntenstellen» abgespeist. Seit der Stadtordnung von 1526 lag dann
das Wiener Stadtregiment tatsächlich allein in den Händen des
Patriziats, die Handwerkerschaft war gesetzlich gänzlich aus¬
geschlossen.
Was durch das Stadtrecht von 1526 Gesetz wurde: Ausschluß
der Handwerker vom Rat ist trotz der Verfassungsurkunde von i3g6
eigentlich schon Rechtsübung im 15. Jahrhundert gewesen. Der
Aufstand von 1462 bringt sohin den mißlungenen Versuch,
den Bestimmungen der Verfassungsurkunde von 1396 bezüg¬
lich der Handwerker: den dritten Teil des Rates zu bilden,
also 6 Ratsstellen mit den Ihren zu besetzen, auch tat¬
sächliche Geltung zu verschaffen. Also keine Neuerung,
sondern Rückkehr zu alten Verhältnissen, nicht Revolution, sondern
Restruction.
Mit der Haltung des Patriziats im Aufstande des Jahres 1462
wollen wir uns näher beschäftigen. Wenn auch das Heer, die
Streitkraft der Aufständischen in erster Linie Handwerksmeister,
1 landwerksknechte und Studenten umfaßte, so waren doch, wie
schon hervorgehoben, die Führer, Vorgeher, die später unter
eigenem Rate und Bürgermeister die Autorität und gesetzliche
Macht erlangten, Bürger, die auch zum Patriziate gehörten. Patrizier
standen also gegen Patrizier in der Führung der Ereignisse. In
der Absage der offiziellen Vertretung der Stadt Wien vom 5. Ok-
r) Kriegk, Deutsches Bürgertum im Mittelalter, mit besonderer Beziehung
auf Frankfurt a. M., Frankfurt 1868, und Kriegk, Frankfurter Biirgerzwiste und
Zustände im Mittelalter, Frankfurt 1862; Schmollet-, Straßburg zur Zeit der
Zunftkämpfe, Straßburg 1875, in Quellen und Forschungen, Bd. XI; Wilda, Das
(lildenwesen im Mittelalter, Halle i83x, S. 288 ff.; Schönberg, Zur wirtschaflichen
Bedeutung des deutschen Zunftwesens, Berlin 1868; Niibling, Die Reichsstadt
Ulm am Ausgange des Mittelalters (1378-1556), 2 Bde, Ulm, 1907.