Full text: Vermischte Schriften ; 3 : politischen, philosophischen und historischen Inhalts ; ueber Frauenemancipation, Plato, Arbeiterfrage, Socialismus / übers. von Siegmund Freud (12)

Ueber Frauenemancipation. 
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tilgen ist. Desgleichen: da die Aussicht auf ehrenvolle und nütz¬ 
liche Verwendung im späteren Leben der beste Sporn ist sich 
die Vortheile der Erziehung anzueignen, und da die beste Er¬ 
ziehung diejenige ist, welche wir uns in den Kämpfen, Beschäftigungen 
und in der Schule des Lebens selbst geben: ist es unmöglich, daß 
Frauen aus dem ihnen schon jetzt gewährten Unterricht den vollen 
Nutzen ziehen, oder daß ihre Laufbahn ihren Fähigkeiten vollauf 
entspreche, so lange ihnen nicht die Wege zu den mannigfaltigen 
bürgerlichen und berufsmäßigen Stellungen geöffnet sind. Daraus 
ergiebt sich: daß jeder Versuch, die Frauen heranzubilden, ohne 
ihnen ihre Rechte zuzugestehen und ohne durch das Gewicht ihrer 
Verantwortlichkeit ihr Pflichtbewußtsein zu wecken, vergeblich ist 
und eine Vergeudung von Arbeit bedeutet. Weiters: daß die 
Gesetze des ehelichen Güterrechtes einer gründlichen Umgestaltung 
bedürfen, damit volle Rechtsgleichheit zwischen den Ehegatten bestehe; 
daß das Weib während des Lebens gleiches Verfügungsrecht über 
das durch gemeinsame Anstrengung und Opfer erworbene Eigen¬ 
thum besitzen und ihren Mann in genau demselben Maße wie er 
sie beerben soll, und daß sie berechtigt sein soll, bei ihrem Tode 
über einen eben so großen Theil des gemeinsamen Vermögens letzt¬ 
willig zu verfügen wie er." 
Folgendes ist eine kurze Zusammenfassung der wichtigsten 
Forderungen: 
1. Erziehung in elementaren und hohen Schulen, Univer¬ 
sitäten, medicinischen, rechtswissenschaftlichen und theologischen 
Anstalten. 
2. Theilnehmerschaft an den Arbeiten und am Ertrag, 
an den Gefahren und Belohnungen der productiven Er- 
werbsthätigkcit. 
3. Ein gleicher Antheifl an der Feststellung und Hand¬ 
habung von Gesetzen — der Gemeinde, des Einzelstaates 
und der Nation — in gesetzgebenden Versammlungen, Ge¬ 
richtshöfen und Executivbehörden. 
Es würde schwer fallen, so viel Vernunft, Wahrheit und 
Gerechtigkeit in eine so wenig bestechende Form zu kleiden als bei 
einigen dieser Resolutionen der Fall ist. Allein was man auch 
gegen einzelne Ausdrücke eiisivenden mag, nichts läßt sich nach 
unserer Ansicht gegen die Forderungen selbst einwendcn. Als eine 
Frage der Gerechtigkeit scheint uns die Sache zu klar, um einer 
Erörterung zu bedürfen; als eine Frage der Nützlichkeit wird sie 
sich desto stärker erweisen, je gründlicher sie untersucht wird. 
Daß die Frauen vom Standpunkte des persönlichen Rechtes
	        
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