Ueber Frauenemancipation.
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mehren helfen, welche bereits die Zugänge zu fast allen Berufsarten
sperrt und deren Ertrag vermindert. Dieses Argument hat — wohl
gemerkt — nichts mit der politischen Frage zu thun. Es entschuldigt
nicht, daß den Frauen die Bürgerrechte vorenthalten werden. Auf
das Stimmrecht, auf die Zulassung zur Geschwornenbank, zum Par¬
lament und zu öffentlichen Aemtern hat es keinen Bezugs Es
erstreckt sich einzig und allein auf die industrielle L,eite der Frage.
Wenn wir . somit diesem wirtschaftlichen Argument seine volle Be¬
deutung zuerkennen, wenn wir einräumen, daß die Zulassung der
Frauen zu den Beschäftigungen, welche jetzt ausschließlich Männer
inne haben, gleich der Aufhebung von anderen Monopolen dahin
abzielen würde, die Einträglichkeit dieser Beschäftigungen zu ver¬
mindern — dann liegt es uns ob zu erwägen, wie groß der daraus
entspringende Nachtheil ist und was demselben gegenübersteht. Das
Schlimmste, was jemals behauptet wurde, weit mehr, als irgend¬
wie eintresfen dürfte, ist dieß: daß, wenn die Frauen^mit den
Männern in Concurrenz träten, ein Mann und eine Frau zu-
-sammen nicht mehr erwerben könnten, als was jetzt ein Mann
allein erwirbt. Nehmen wir diese Voraussetzung, die ungünstigste,
die überhaupt möglich ist, an; das vereinigte Einkommen beider
würde dann dasselbe sein, wie früher, während die Frau aus der
Stellung einer Dienerin zu der einer Mitarbeiterin erhoben wäre.
Zesbst wenn bei dem jetzigen Stand der Dinge keine Frau eines
männlichen Ernährers entbehrte, wie unendlich besser wäre es doch,
daß ein Theil des Einkommens der Erwerb der Frau sei, auch
wenn der Gesammtbetrag dadurch nur um wenig vermehrt wird,
anstatt daß sie genöthigt ist zurückzustehen, damch Wr Mann der
einzige Erwerber und der einzige Verwalter des Erworbenen sei.
Selbst unter den gegenwärtigen Gesetzen über das Eigenthum der
Frauen kann ein Weib, das zur Erhaltung der Familie wesentlich
beiträgt, nicht in derselben verächtlichen und tyrannischen Weise be-'
handelt werden, wie eines, dessen Lebensunterhalt gänzlich vom!
Manne abhängt, so schwer auch die Mühsal der häuslichen Arbeit e
aus ihr lasten mag*). Gegen die Herabsetzung der Löhne in Folge
*) Die wahrhaft schrecklichen Folgen des gegenwärtigen Zustandes der
Gesetze bei dem untersten Theil der arbeitenden Bevölkerung zeigen sich in
jenen Fällen von gräßlicher Mißhandlung der Frauen durch ihre Männer,
mit denen jedes Zeitungsblatt, jeder Polizeibericht überfüllt ist. Elende, die
nicht verdienen die geringste Autorität über irgend ein lebendes Wesen zu
besitzen, haben ein hilfloses Weib zu ihrer Haussclavin. Solche Ausschreitungen
könnten nicht Vorkommen, wenn die Frauen einen Theil des Einkommens der
Familie sowohl erwerben würden als zu besitzen daS Recht hätten.