Full text: Vermischte Schriften ; 3 : politischen, philosophischen und historischen Inhalts ; ueber Frauenemancipation, Plato, Arbeiterfrage, Socialismus / übers. von Siegmund Freud (12)

Ueber Frauenemancipation. 
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mehren helfen, welche bereits die Zugänge zu fast allen Berufsarten 
sperrt und deren Ertrag vermindert. Dieses Argument hat — wohl 
gemerkt — nichts mit der politischen Frage zu thun. Es entschuldigt 
nicht, daß den Frauen die Bürgerrechte vorenthalten werden. Auf 
das Stimmrecht, auf die Zulassung zur Geschwornenbank, zum Par¬ 
lament und zu öffentlichen Aemtern hat es keinen Bezugs Es 
erstreckt sich einzig und allein auf die industrielle L,eite der Frage. 
Wenn wir . somit diesem wirtschaftlichen Argument seine volle Be¬ 
deutung zuerkennen, wenn wir einräumen, daß die Zulassung der 
Frauen zu den Beschäftigungen, welche jetzt ausschließlich Männer 
inne haben, gleich der Aufhebung von anderen Monopolen dahin 
abzielen würde, die Einträglichkeit dieser Beschäftigungen zu ver¬ 
mindern — dann liegt es uns ob zu erwägen, wie groß der daraus 
entspringende Nachtheil ist und was demselben gegenübersteht. Das 
Schlimmste, was jemals behauptet wurde, weit mehr, als irgend¬ 
wie eintresfen dürfte, ist dieß: daß, wenn die Frauen^mit den 
Männern in Concurrenz träten, ein Mann und eine Frau zu- 
-sammen nicht mehr erwerben könnten, als was jetzt ein Mann 
allein erwirbt. Nehmen wir diese Voraussetzung, die ungünstigste, 
die überhaupt möglich ist, an; das vereinigte Einkommen beider 
würde dann dasselbe sein, wie früher, während die Frau aus der 
Stellung einer Dienerin zu der einer Mitarbeiterin erhoben wäre. 
Zesbst wenn bei dem jetzigen Stand der Dinge keine Frau eines 
männlichen Ernährers entbehrte, wie unendlich besser wäre es doch, 
daß ein Theil des Einkommens der Erwerb der Frau sei, auch 
wenn der Gesammtbetrag dadurch nur um wenig vermehrt wird, 
anstatt daß sie genöthigt ist zurückzustehen, damch Wr Mann der 
einzige Erwerber und der einzige Verwalter des Erworbenen sei. 
Selbst unter den gegenwärtigen Gesetzen über das Eigenthum der 
Frauen kann ein Weib, das zur Erhaltung der Familie wesentlich 
beiträgt, nicht in derselben verächtlichen und tyrannischen Weise be-' 
handelt werden, wie eines, dessen Lebensunterhalt gänzlich vom! 
Manne abhängt, so schwer auch die Mühsal der häuslichen Arbeit e 
aus ihr lasten mag*). Gegen die Herabsetzung der Löhne in Folge 
*) Die wahrhaft schrecklichen Folgen des gegenwärtigen Zustandes der 
Gesetze bei dem untersten Theil der arbeitenden Bevölkerung zeigen sich in 
jenen Fällen von gräßlicher Mißhandlung der Frauen durch ihre Männer, 
mit denen jedes Zeitungsblatt, jeder Polizeibericht überfüllt ist. Elende, die 
nicht verdienen die geringste Autorität über irgend ein lebendes Wesen zu 
besitzen, haben ein hilfloses Weib zu ihrer Haussclavin. Solche Ausschreitungen 
könnten nicht Vorkommen, wenn die Frauen einen Theil des Einkommens der 
Familie sowohl erwerben würden als zu besitzen daS Recht hätten.
	        
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