Full text: Vermischte Schriften ; 3 : politischen, philosophischen und historischen Inhalts ; ueber Frauenemancipation, Plato, Arbeiterfrage, Socialismus / übers. von Siegmund Freud (12)

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Ueber Frauenemancipation. 
der Vermehrung der Concurrenz werden sich seiner Zeit wohl 
Drittel finden lassen. Palliativ-Maßregeln könnten sofort an¬ 
gewendet werden, zum Beispiel eine strengere Ausschließung der 
Kinder von industrieller Thärigkeit während der Jahre, in denen 
sie keine andere Arbeit leisten sollten als jene, welche ihren Körper 
und Geist für das spätere Leben erstarken macht. Kinder sind 
nothwendiger Weise abhängig und unter der Gewalt Anderer, und 
ihre Arbeit, die nicht ihnen selbst sondern ihren Eltern Gewinn 
bringt, ist ein geeigneter Gegenstand gesetzlicher Regelung. Was 
die Zukunft anbelangt, so glauben wir, daß weder die^gedankenlose 
Vermehrung und die daraus folgende übermäßige Schwierigkeit, 
einen Unterhalt zu finden, immer andauern wird, noch daß die 
Theilung der Menschen in Capitalisten und Hemiethete Arbeiter , 
und die Regulirung der Entlohnung der Arbeiter hauptsächlich 
durch Nachfrage und Angebot für immer oder auch nur lange Zeit ' 
noch in Kraft bleiben wird. Aber so lange die Concurrenz das 
allgemeine Gesetz des menschlichen Lebens bleibt, ist es Tyrannei, 
die eine Hälfte der Mitbewerber auszuschließcn. Alle die das«' 
Alter der Selbständigkeit erreicht haben, haben das gleiche Recht, 
jede Art von nützlicher Arbeit, deren sie fähig sind, zum Preise, 
den sie einträgt, zu verkaufen. 
Der dritte Einwand gegen die Zulassung der Frauen zum 
öffentlichen Leben oder zur Gewerbsthäligkeit, deren angeblich 
verhärtender Einfluß, gehört einer vergangenen Zeit an und ist für 
unsere Zeitgenossen kaum mehr verständlich. Es giebt aber immer 
noch Personen, welche sagen, daß die Welt und ihr Getriebe die 
Menschen selbstisch und gefühllos werden läßt, daß die Kämpfe, 
Rivalitäten und Collisionen des geschäftlichen und politischen Lebens 
sie rauh und unliebenswürdig machen, und daß, wenn die eine Hälfte 
der Gattung sich unvermeidlich diesen Dingen hingeben muß, es um 
,so nothwendiger ist, daß die andere Hälfte davon fern gehalten 
! werde; daß cs die Frauen vor den schlechten Einflüssen der Welt 
!zu bewahren gilt, damit die Männer denselben nicht gänzlich 
l verfallen. 
Dieses Argument hätte etwas annehmbares, wenn sich die 
Welt noch im Zeitalter des Faustrechls befände, als das Leben 
reich war an Physischen Kämpfen und jeder Mann das gegen ihn 
oder gegen Andere verübte Unrecht mit dem «chwerle oder mit 
der Stärke seines Armes abwehrcn mußte. Die Frauen, und 
desgleichen die Priester, mögen dadurch, daß sie von solchen Ver¬ 
pflichtungen und theilweise^von den sie begleitenden Gefahren be¬ 
freit waren, damals im Stande gewesen sein einen wohlthätigen
	        
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