Ueber Frauenemanclpation.
17
seitigkeit der Verpflichtungen von Seiten des Stärkeren anerkannt
wird. Eine solche Behauptung würde sich von der Wahrheit
weit entfernen. Aber auch diese Gegenseitigkeit, welche wenigstens
bei den höheren und mittleren Classen die Tyrannei ihrer hä߬
lichsten Züge beraubte, hat in Verbindung mit dem ursprüng¬
lichen Nebel der Abhängigkeit der Frauen ihrerseits wieder ernsthafte
Nachtheile hervorgerufen.
Im Anbeginn und bei Stämmen, die sich noch aus einer-
primitiven Culturstufe befinden, waren und sind die Frauen die!
Sclavinnen der Mänmr zu Zwecken der Arbeit. ^ Alle schweren
körperlichen Arbeiten fallen ihnen zu. Der australische Wilve
geht müssig, während die Weiber mühsam die Wurzeln ausgraben,
von denen er sich nährt. Ein Indianer, der ein Wild erlegt hat«
läßt es liegen und schickt eine Frau danach aus um es heim^
zutragen. Auf einer etwas vorgerückteren Stufe, wie in Asien, waren
und sind die Frauen die Sclavinnen der Männer zu Zwecken der
Sinnlichkeit. In Europa ist darauf frühzeitig wne dritte mildere
Weise der Herrschaft gefolgt, die nicht durch Schläge oder durch
Schlösser und Riegel, sondern durch eine sorgfältige Geistes¬
drillung gesichert wurde. Auch mischten sich immer mehr Gefühle
von Wohlwollen und Vorstellungen von Pflichten, wie sie ein Vor¬
gesetzter seinen Schützlingen -schuldet, in dieß Verhältnis Aber es
wurde viele Jahrhunderte hindurch kein Verhältniß von Genossen,
selbst nicht von ungleichen, daraus. Das Weib war ein Stück der
Ausstattung des Hauses, des Ruheplatzes, an den sich der Mann
vom Geschäft oder vom Vergnügen zurückzog. Männer waren da¬
mals wie heute die Genossen seiner Arbeit, und ebenso waren
es zumeist Männer, seines Gleichen, die seine Vergnügungen und
Zerstreuungen theilten. Innerhalb der vier Wände war er ein
Patriarch und Alleinherrscher, und die unverantwortliche Macht
übte ihre Wirkung, indem sie ihn, je nach seiner Gemüthsart mehr
oder weniger herrschsüchtig, anfpruchsvoll und selbstvergötternd,
wenn nicht gar zum launenhaften oder rohen Tyrannen machte.
Aber wenn seine moralischen Eigenschaften dabei Schaden litten,
so war dieß nicht nothwendig in demselben Maße mit seinen
geistigen oder schöpferischen Fähigkeiten der Fall. Er mochte
soviel Geisteskraft und Charakterstärke besitzen, als seine Natur
und die Verhältnisse seiner Zeit zuließen. Er mochte das „Ver¬
lorene Paradies" dichten oder die Schlacht von Marengo ge¬
winnen. Dieß war der Zustand der Römer und Griechen und
der Neueren bis vor kurzer Zeit. Ihre Beziehungen zu ihren
häuslichen Unterthanen nahmen nur einen Winkel, wenn auch einen
Mill,->es. Werke. XII. 2