Full text: Vermischte Schriften ; 3 : politischen, philosophischen und historischen Inhalts ; ueber Frauenemancipation, Plato, Arbeiterfrage, Socialismus / übers. von Siegmund Freud (12)

lieber Frauenernaucipation. 
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Die modernen, für aufgeklärt und fortschrittlich geltenden Methoden 
der Frauenerziehung verwerfen, soweit es sich um Worte handelt, 
eine blos auf den Prunk berechnete Erziehung und geben vor, eine 
ernste Ausbildung anzustreben, aber sie verstehen darunter einen 
oberflächlichen Unterricht in ernsten Gegenständen. Von Fertig¬ 
keiten abgesehen, in Betreff deren man jetzt allgemein annimmt, 
sie sollen gut, wenn überhaupt gelehrt werden, wird nichts den 
Frauen gründlich gelehrt. Kleine Bruchtheile von dem, was man 
die Knaben gründlich zu lehren versucht, sind alles, was man den 
Frauen beizubringen wünscht oder beabsichtigt. <Was die Menschen / 
zu intelligenten Wesen macht, ist das Vermögen zu denken; die 
Anregungen, welche dieses Vermögen erwecken, sind der Reiz und 
die Würde des Denkens selbst und ein freies Feld für dessen 
praktische Anwendung? Diese beiden Beweggründe sind aber Jenen 
entzogen, welchen von Jugend auf gesagt wird, daß das Denken 
und alle seine wichtigeren Anwendungen die Sache anderer Leute ist, 
während es ihre Sache ist, sich anderen Leuten angenehm zu machen. 
Hohe Geisteskräfte werden unter den Frauen so lange zufällige 
Ausnahmen bleiben, bis ihnen jeder Lebensweg offen steht, und bis 
sie so gut wie die Männer für sich selbst und für die Welt er¬ 
zogen werden, nicht das eine Geschlecht für das andere. 
Bei dem, was wir bisher über die vereinte Wirkung der unter¬ 
geordneten Stellung der Frauen und der gegenwärtigen Gestaltung 
des ehelichen Lebens gesagt haben, hatten wir nur die attergünstigsten 
Fälle im Auge, solche, in denen sich irgendwie eine wirkliche An¬ 
näherung an jene Vereinigung und Verschmelzung von Leben und 
Charakter vorfindet, welche der theoretischen Erörterung als der 
ideale Maßstab dieses Verhältnisses gilt. Aber wenn wir uns 
an die große Mehrzahl der Fälle halten, muß der Einfluß der 
gesetzlichen Unterordnung der Frauen auf ihren Charakter wie auf 
jenen der Männer in weit dunkleren Farben geschildert werden. Wir 
sprechen hier nicht von roheren Mißhandlungen und nicht von dem 
Recht des Mannes, den Erwerb der Frau mit Beschlag zu 
belegen, oder sie gegen ihren Willen zu zwingen, mit ihm zu leben. 
Wir wenden uns nicht an Jene, die einen Beweis dafür verlangen, 
daß diese Dinge nicht bestehen sollten. Wir nehmen Durchschmtts- 
fällc an, in denen weder völlige Harmonie noch völlige Unverein¬ 
barkeit der Gefühle und Charaktere besteht, und wir behaupten, 
daß in solchen Fällen die Abhängigkeit des Weibes aus den 
Charakter beider schädigend einwirkt. Man glaubt allgemein, 
daß, wie cs auch immer mit dem geistigen Einfluß der Frauen 
stehen mag, ihr moralischer Einfluß auf die Männer nahezu
	        
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