Full text: Vermischte Schriften ; 3 : politischen, philosophischen und historischen Inhalts ; ueber Frauenemancipation, Plato, Arbeiterfrage, Socialismus / übers. von Siegmund Freud (12)

Plato. 
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die Sophisten. Sokrates spricht in der Apologie vom Vorwurf 
des Atheismus, der Verwandlung der schlechteren Sache in die 
bessere u. s. w., als von den Anklagen, welche jederzeit zur Hand 
sind, um gegen diejenigen, welche Philosophie treiben, geschleudert 
zu werden; r« xara -rcäv 
r«ör«. Auch Xenophon*) erwähnt das Lehren einer „Kunst 
von Worten" rL^i;) als „den gewöhnlichen Vorwurf der 
Menge gegen die Philosophen". Im ganzen Plato ist nichts 
ergreifender als die im Gorgias und der Republik enthaltene 
Schilderung der vereinsamten und verachteten Stellung des Philo¬ 
sophen in jeder bestehenden Gesellschaft und des allgemeinen Ein¬ 
drucks, daß er im besten Fall eine unnütze, häufiger aber eine höchst 
ruchlose Person sei (TraztTrov^oug, xaxoug /rädceu x«xt'au). 
Er bemüht sich, die Ursachen ausfindig zu machen, welche diesem 
ungünstigen Urtheil über die Philosophen einen Schein von 
Wahrheit verliehen, und giebt zu, daß dasselbe nicht selten durch 
das Benehmen der also Genannten gerechtfertigt wurde; und 
das ist mehr, als er jemals von den Sophisten sagt. 
Plato's eigene Abneigung gegen die Sophisten war wahr¬ 
scheinlich ganz ebenso stark wie die des athenischen Volkes, für 
welche er in seinen Schriften Zeugniß giebt; aber war sie von der¬ 
selben Beschaffenheit? Sah er sie als Jugendverderber an? 
Keineswegs, wenn der Sokrates der Republik Plato's Ansichten 
Ausdruck giebt. In einer der gewichtigsten Stellen dieses gro߬ 
artigen Werkes läßt, ihn Plato sagen: das Volk bildet sich ein, 
daß die Sophisten und ähnliche Leute die Verderber der Jugend 
seien; aber das ist ein Jrrthum. Der wirkliche Verderber der 
jungen Leute ist die Gesellschaft selbst; ihre Familien, ihre Ge¬ 
nossen, Alle, die sie sehen und mit denen sie verkehren, das Bei¬ 
falls- und Mißfallsgeschrei der Volksversammlung, die Ent¬ 
scheidungen des Gerichtshofes. Das sind die Einflüsse, welche 
die jungen Männer verführen, indem sie ihnen einen falschen 
Maßstab des Guten und des Bösen vor Augen halten und ihren 
Strebungen eine völlig verkehrte Richtung geben. Was die 
Sophisten betrifft, so wiederholen diese nur des Volkes eigene 
Meinungen. „Bildet ihr euch (so fragt er)*), gleich der Menge, 
ein, daß die jungen Männer von den Sophisten verderbt werden, 
daß es Privat-Sophisten giebt, welche sie in einem irgend nennenS- 
werthen Grade verderben (o ix x«l «Aov ?.6/on)? Sind nicht 
*> Xsn. Ltsmor. I. 2, 31. 
**) Plato, Republik, B. VI, 492 L und 493 ä.
	        
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