Full text: Verordnung des Ministers für Cultus und Unterricht vom 26. Mai 1884, Z. 10.128

eX , Lk.,|wf 2. 4, ff. dCs $0 , 
I £2.46 - 2 - 
Bemerkungen zum Lehrpläne. 
Für die vorliegenden Ergebnisse der Revision waren nun folgende Erfahrungen 
und Gesichtspunkte maßgebend : 
Im Latein war die grammatische Aufgabe der III. und IV. Classe in der 
zugemessenen Zeit nicht lösbar; Abhilfe konnte nur durch eine andere Vertheilung 
der Lateinstunden geschafft werden, was allerdings zunächst der lateinischen 
Lectüre in diesen beiden Classen Abbruch thut, aber durch die Ermöglichung 
besserer grammatischer Vorbildung einen fruchtbareren Betrieb der Lectüre in den 
höheren Classen vorbereitet. 
Die Zahl der schriftlichen Arbeiten musste soweit beschränkt werden, dass 
die sorgfältige Behandlung der Sache geleistet werden kann. 
In der Lectüre erwiesen sich die Classenpensa weit über das Erreichbare 
hinausgehend, es war daher der Umfang erheblich zu verringern, so dass unter 
normalen Verhältnissen künftig sich die Ziele werden erreichen lassen. Die Lectüre 
Ciceronisclier Briefe (in der VI. Classe) wurde als entbehrlich erkannt; in der 
VII. Classe empfahl es sich die oratorische Prosalectüre etwas einzuschränken um 
für die anziehendere Lectüre der Dialoge Raum zu gewinnen; in der VIII. Classe 
war es zweckmäßiger sich auf die bedeutsamsten Werke des Tacitus zu beschränken 
und den Agricola entfallen zu lassen. 
Die stiüstischen Übungen bedurften in jenen Semestern, welchen poetische 
Lectüre zugewiesen ist, einer Stütze; daher erschien es angemessen neben der 
poetischen Lectüre auch der Prosa einen bescheidenen Platz einzuräumen. 
Im Griechischen mangelte dem Unterrichte in der attischen Syntax während 
der durch 3 Semester fortlaufenden Lectüre aus Homer und Herodot die unent¬ 
behrliche Grundlage der gleichzeitigen Lectüre eines attischen Prosaikers, wodurch 
der Übergang zu Demosthenes ungemein erschwert war. Es erschien daher geboten, 
die Hömerlectüre in der V. und VI. Classe etwas einzuschränken und daneben die 
Lectüre aus Xenophon, wenn auch in sehr bescheidener Ausdehnung, einhergehen 
zu lassen. Der bei der kleinen Stundenzahl stark belasteten VII. Classe empfahl 
es sich die Lectüre einer Tragödie des Sophokles abzunehmen, die in der Regel 
nicht geleistet oder nicht vollendet wurde, und dafür dem Hauptautor der Classe 
(Demosthenes) und der Hauptlectüre des ganzen Obergymnasiums (Homer) Raum 
zu gönnen. Von der Schullectüre aus Plato wurde der Dialog Phaedo ausgeschlossen, 
dagegen einzelne kleinere Dialoge zugelassen; jener schien wegen der Schwierigkeit 
der behandelten Frage ungeeignet, so sehr zu bedauern ist, dass damit auch die 
ergreifende Erzählung der letzten Momente des Sokrates den Schülern entzogen 
wird ; diese empfahlen sich durch Einfachheit und Übersichtlichkeit. 
Das Deutsche in der V. Classe vermochte in der zu karg bemessenen Zeit 
weder in den methodischen Betrieb der Lectüre einzuführen noch den Aufsatz aus¬ 
giebig zu pflegen. Die Zulegung einer Lehrstunde — nicht zur Erweiterung, sondern 
zur durchgreifenden Bearbeitung des Classenpensums — war unentbehrlich und 
konnte von der Geschichte genommen werden, welche ohne wesentliche Störung 
lires Lehrganges in der folgenden Classe entschädigt wird.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.