Full text: Verordnung des Ministers für Cultus und Unterricht vom 26. Mai 1884, Z. 10.128

Das Mittelhochdeutsche, bisher in der VII. oder VI. Classe an Gymnasien mit 
deutscher Unterrichtssprache gelehrt, hat in der Unterrichtszeit, die ihm ohne 
Beeinträchtigung der anderen, unstreitig wichtigeren Aufgaben des deutschen 
Unterrichtes zugestanden werden konnte, namentlich in Bezug auf die eigentliche 
Sprachkenntnis, nicht solche Erfolge erzielen lassen, welche der Absicht hei der 
Einführung dieses Gegenstandes entsprachen und seine Beibehaltung zu rechtfertigen 
vermöchten. Die literarhistorische Seite dieses Zweiges wird im übrigen Deutsch¬ 
unterrichte genügende Berücksichtigung finden können. 
Literaturgeschichte in der bisherigen Behandlung wollte sich nicht als dem 
Gymnasium gemäß erweisen; es mag versucht werden, ob sich der Gegenstand 
in den Grenzen der strenghistorischen Darstellung und von allem Ästhetisieren frei 
halten und dem Ganzen organisch einfügen lässt. 
Der Geschichte in der III. Classe hatte der Ministerial-Erlass vom 12. August 
1871, Z. 8508 nur 1 Stunde wöchentlich zugewiesen, zur ordentlichen Absolvierung 
des ziemlich reichhaltigen Pensums wenig; es erscheint nur billig die drei Lehr¬ 
stunden auf Geographie und Geschichte gleichmäßig zu vertheilen. Die Verschiebung 
der Stundenzahl zwischen der V. und VI. Classe führt dazu, dass in der V. Classe 
mit der Unterwerfung Italiens unter die Herrschaft Roms abgeschlossen werden 
muss. Die VIII. Classe bedurfte gleichzeitig einer Erleichterung des massenhaften 
Materiales der Statistik und einer Zusammenfassung der griechischen und römischen 
Geschichte, nächst der vaterländischen Geschichte des wichtigsten Theiles im gesummten 
Geschichtsunterricht am Gymnasium. Eine geringe Veränderung genügt, um beides 
zu erreichen. 
In Mathematik ist nicht nur auf jede — im Organisationsentwurfe vom 
Jahre 1849 als möglich dahingestellte — Erweiterung des Lehrstoffes verzichtet, 
sondern auch zur Erleichterung eine strengere Sonderung des Wesentlichen vom 
Unwesentlichen vorgenommen und so manche Einschränkung vorgezeichnet worden, 
soweit dies möglich ist, ohne den diesem Gegenstände eigenthümlichen Erziehungs¬ 
wert zu gefährden. Denn ohne eine gewisse Höhe der Kenntnisse können die 
mathematischen Erkenntnisformen nicht zum Bewusstsein und zur sicheren Verwendung 
gebracht werden, und es ist deshalb unzulässig, den Inhalt des Unterrichtes unter 
ein Niveau hinabzudrücken, über welchem er aus dem angeführten Grunde in allen 
— unserem Gymnasium gleichartigen — Unterrichtsanstalten anderer Culturstaaten 
sorgfältig erhalten wird. 
Im besonderen wurde für den Unterricht im Untergymnasium die Nebenaufgabe, 
auch für gewisse praktische Berufszweige vorzubereiten, auf das Unentbehrliche 
eingeschränkt, um der wesentlichen Aufgabe, die geistige Fähigkeit der Schüler für 
die wissenschaftliche Aufgabe des Obergymnasiums zu entwickeln, die nötkige 
Förderung zu geben. Durch diese Vereinfachung der Aufgabe überhaupt ist in der 
IV. Classe eine eingehendere Behandlung der Gleichungen und Probleme des ersten 
Grades ermöglicht. In der V. Classe ist die Fortsetzung und Erweiterung der Lehre 
von den Gleichungen des ersten Grades aufgenommen und ihr dadurch die Stelle 
vor den Operationen der wissenschaftlichen (III.) Stufe angewiesen, welche ihr aus 
didaktischen Gründen gebürt. In der VI. Classe kommen die Gleichungen des zweiten
	        
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