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herausstreckten, indess der alte Vogel herbeigeflogen kam. Solche und
ähnliche »Bildchen« sind nicht gar zn schwer auszuführen und beleben die
Unterhaltung über mancherlei Natnrgegenstände oder über Gedichtchen oder
über manche hochinteressante Szenen aus einer den Kleinen erzählten
»wunderschönen Geschichte« gewiss in erheblicher Weise. Wie trefflich muß
es nicht sein, wenn z. B. eine Kindergärtnerin bei Einübung des Gedichtchcns
»Vogel und Knabe« von W. Hey eine solche Szene an die Tafel zn
»malen« versteht wie die obige mit dem Vöglein im Neste. Wie gern ver¬
suchen die Kleinen gerade solche Sachen nachznmalen! sie gelingen ihnen
auch in erstaunlicher Weise.
Endlich muß ich von dieser Anstalt noch erwähnen, dass Frl. Zinßer
die Güte hatte, mir einige ihrer Handbücher aus der Schulpraxis zu
zeigen. Sie hat darin n. a. eine Fülle von Zeichnungsskizzen, Bau-, Flecht-
und Legeformen, zumeist Lebensgebilde vorstellend, gesammelt und die¬
selben theils den Kindern beim freien Schaffen abgelanscht, thcils selbst¬
denkend erfunden oder besseren Werken der Kleinkinderschul- und Kinder-
gartenlitcratur entnommen. Verdient so etwas nicht allgemeine Anerkennung?
Kann ich unseren Kindergärtnerinnen im Dienste der Kleinen etwas Besseres
empfehlen als: »Geht hin und thnet desgleichen?«
Von den Fölsing'schen Kleinkinderschnlen will ich hier noch jene an
der Peterskirche zn Frankfurt a. M. namhaft machen. Bei meinem Be¬
suche dieser Anstalt war eben die Leiterin derselben mit der »Milchaus-
thcilung« beschäftigt. Die Kleinen trieben sich dabei frei im Hofe herum.
Hier bemerkte ich außer den schon früher erwähnten Kletterstangen noch einen
eigenthümlichen Apparat zn Hanglübungen der Kleinen, ans welchem und
um welchen es sehr lebhaft zugieng. In dieser Anstalt sind 140 Kinder
eingeschrieben; davon waren 102 anwesend. Die Anstalt durchweht ein
munterer, ungezwungener Geist. Ich wohnte daselbst einigen Bewegungsspielen
mit Gesang bei. *>
Unter den Beschäftignngsmitteln fand ich hier u. a. auch schmale
Papierstreifen, welche von der Aufseherin geschnitten, von den Kindern
znsammcngefalzt und dann anstatt Stübchen zu Legeübnngcn benutzt werden.
Nun mögen noch einige allgemeine Bemerkungen über die
Fölsing'schen Kleinkinderschulen folgen. Im Ganzen herrscht hier
eine recht einfache und natürliche und doch sinnreiche und bildende, von
Fröbel's Methode theilweise abweichende Behandlungsweise der Kleinen
vor. Der Sandhaufen, dieses uralte Spiel- und Beschäftignngsmittcl
der Kinder, ist fast überall zn finden. Auch sonstige Lieblinge der Kleinen:
Wurstl, Puppe, Schaukelpferd rc., sucht man hier nicht vergebens.
Das Mnschellegen, eine ganz eigcnthümliche und höchst interessante
Beschäftigung der Kleinen, muß ich hier noch ganz besonders bemerken.
*> Dabei trug sich auch Folgendes zu:
Die Kinder stauben ui» die Aufseherin und Leiterin der Anstalt herum: sie
hatten bereits einige gemeinsame Spiele durchgeführt, es sollte nun die »Brotver-
theilung* stattfinden. Da fragt die Lehrerin: Wollt ihr jetzt das Brot haben oder
lieber noch ein Weilchen spielen? — Spielen! erscholl es einstimmig aus tOO Kehlen,
obgleich sicherlich manche der Kleinen schon hungrig waren.