Full text: Das Kindergarten- und Kleinkinder-Schulwesen in Oesterreich und Deutschland

pädagogischen Vorträge, denen beizuwohneu ich die Ehre hatte, u. a. auch 
auf die Wichtigkeit taktmäßiger Bewegungen der Kinder mit großem 
Nachdrucke hinwies, indem dabei die Kleinen an Disciplin und Ordnung 
frühzeitig sich gewöhnen, und auch ihr Gefühl für äußere Eleganz und 
Regelmäßigkeit zweckmäßig angeregt und geleitet wird, — so muß ich dennoch 
auch meine Bemerkung aufrecht erhalten: Lasset doch den Kindern auch 
Zeit und Gelegenheit, sich selbst zu genügen, sich frei und selbständig zu 
bewegen! 
Recht zweckmäßig fand ich in Gotha die Einrichtung der Sitze; 
ähnlich wie in Carlsruhe sitzen die Kinder bei gewissen Beschäftigungen 
am »Familientische«; beim Erzählen und Unterhalten jedoch sitzen sie auf 
ihren Bänkchen ringsum an drei Wänden des Zimmers. 
Sonst gefiel mir in der Anstalt noch recht sehr die Geschicklichkeit 
der Kleinen im Thon formen. Auch die Sprache der Kleinen ließ nichts 
zn wünschen übrig. Solches kann und muß überall erzielt werden, wenn 
man es nur versteht, mit den Kindern sich zu unterhalten, eine Geschick¬ 
lichkeit, die leider nicht allen Kindergärtnerinnen zngcsprochen werden kann. 
Die Fortbildungsschule Köhler's erweitert und vertieft den Unter¬ 
richt der Töchterschule; sie gilt gleichzeitig als Vorbereitungsschnle 
für das Seminar. Daselbst werden folgende Gegenstände gelehrt: 
1. Religion, 2. Hauspädagogik, 3. Familien- und Wirtschaftskunde, 4. Buch¬ 
führung, 5. Physik und Chemie der Küche, 6. deutsche Sprache (Literatur», 
7. Französisch, 8. Englisch, 9. Rechnen (Geometrie), 10. Geschichte und 
Geografie, II. Naturgeschichte «Anthropologie», 12, Handarbeiten, 13. 
Zeichnen, 14. Schreiben, 15. Singen, 16. Turnen. 
Der Kursus für Kindergärtnerinnen schließt an die Fort¬ 
bildungsschule an und dauert ein Jahr. Auf dem Lektionsplane stehen 
folgende Unterrichtsfächer: 1. Religion, 2. allgemeine Pädagogik, 3. Theorie 
und Praxis des Kindergartens, 4. Fröbel'sche Handarbeiten, 5.«Probe¬ 
lektionen und Kritiken derselben, 6. Hospitieren im Kindergarten, 7. deutsche 
Sprache (Literatur», Französisch, Englisch (die beiden letzten Sprachen 
fakultativ y 8. Rechnen, 9. Geometrie, 10. Geschichte, 11. Geografie, 
12. Naturgeschichte, 13. Gesang, 14. Schreiben, 15. Zeichnen, 16. Spiele 
und Turnen — alles zusammen in wöchentlich 33, eventuell 35 Lehr¬ 
stunden. Bei dieser uns außerordentlich vorkommcnden Inanspruchnahme 
der Körper- und Geisteskraft sehen die Mädchen doch ganz blühend ans; 
es ist mir auch nirgends erzählt worden, trotzdem ich mich um diesen 
Punkt recht häufig befragte, dass eine außerordentliche Sterblichkeit oder 
überhandnehmende Kränklichkeit unter den Kindergärtnerinnen herrsche. 
Solche Leistungen sind eben nur denkbar, wenn man in den Sommer¬ 
monaten die goldenen Morgenstunden gewissenhaft benutzt. Es war 
angenehm überraschend für mich, als ich eines Morgens — es war am 
21. August — kurz vor 8 Uhr die Anstalt zum erstenmale besuchte, um 
mich Herrn Dir. Köhler vorzustellen und ihm mein amtliches Empfehlungs¬ 
schreiben zu Präsentieren. Als ich den schönen Garten der Anstalt betrat, 
bemerkte ich die jungen Damen, wie sic, meist mit Büchern, daselbst hernm- 
wandclten: sie hatten bereits eine Stunde angestrengter geistiger Thätigkcit
	        
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