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deutliche Mängel, und die eigentliche Ausgabe der parlamentarischen
Verhandlung muß deren Beseitigung sein. Womit ich aber nicht sagen will,
daß ich die übrigen Beanstandungen geringer gewertet sehen möchte. Was
die Vorzüge anlangt, so hat der Entwurf eigentlich nur einen Vorzug,
allerdings aber einen, der ausreicht, um die Vorlage der parlamentarischen
Verhandlung aufs wärmste zu empfehlen : daß alle Mängel be¬
seitigt werden können. Sie sind keine organischen Gebrechen,
nicht Mängel, mit denen der Entwurf sieht und fällt, sondern sie alle
sind ausgenommen worden aus dem Bewußtsein und zu dem Zwecke:
den Gesetzentwurf zu verschlechtern. Sie sind Kompensation s-
o b j e kt e f ü r d i e A u f h e b n n g d e s o b j e k t i v e n V e^r f a h r e n s.
Die Absicht, der Judikatur der Geschwvrnen nicht zu viel Spielraum zu
geben, zieht sich wie ein roter Faden durch alle Bestimmungen des Ent¬
wurfes. Was die anderen Regierungen brutal herausverlangten: daß die
Aufhebung des objektiven Verfahrens bezahlt werden müsse durch Verzicht
ans die Rechtsprechung der Schwurgerichte für Preßdelitte, das sucht der
Entwurf auf Umwegen zu erreichen. Die schweren Mängel des Entwurfes
bestehen ganz eigentlich darin, daß er für die Abschaffung des objektiven
Verfahrens einen zu großen Preis verlangt; für die Aufhebung der Willkür,
daß der Staat jede Druckschrift konfiszieren kann, will er die eintanschen,
daß der Staat jeden Journalisten einsperren können soll. Ich bin zwar
nicht wehleidig und nieme auch nicht, daß es der Presse schlecht be¬
kommen würde, wen» ihre Träger ihre Taten gleich^ ernsten, würdigen
Männern verantworten müßten; der Kerker ist keine «schände für ^vnr-
nalisten, und es würde sich weniger Geschmeiß unter ihnen breitmachen
können, wenn man für seine Worte einznstehen hätte. Aber ich meines
daß Herr v. Koerber zn viel verlangt; die Strafdrohungen des Entwurfes
wirken mit so automatischer Sicherheit, daß ihre Wirkung wäre, daß die
Zeitungen ans das Recht der Kritik entweder verzichten oder daß ihre ^oui-
naüsten ans den Gefängnissen nicht herauskonimen würden.
Ein vernünftiges Preßgesetz ist eine wichtige Sache; das sollten
vornehmlich jene begreifen, die den Zustand der österreichischen srressc als
einen so unersreulichen erkennen, und es müßte in erster Lime von denen
verlangt werden, die diese Presse ans ihrer Inferiorität hinailsfnhreii
wollen. Die Laster der österreichischen Presse sind nicht bloß die gehler,
die dieser Institution gleichsam von Natur aus eigentümlich sind, die in
dem Wesen einer Einrichtung stecken, die das Schreiben, das auch eine
Eingebung sein soll, zum Selbstzweck gestaltet hat. Die österreichische
Presse hat jedoch spezifische Fehler: die Laster d er U»terdru ckten.
Der nsteinatische Druck, der auf ihr gelastet, die materiellen Bedruckungen,
denen sie ansgesetzt war, die haben ihr Ernst und Redlichkeit ansgetrieben
— ihr und den Lesern. Denn die Zeitungen sind nur der Spiegel der
Geistesart des Volkes: so wie dieses beschaffen ist, so ist auch seme chrefie
geartet. Wer wollte aber leugnen, daß die österreichischen, insbesondere
die Wiener Leser, alles Ernste hassen, allen, Redlichen ans dem Wege
gehe», nur für oberflächliche Sensationen Empfänglichkeit zeigen? Gedeihen
in dieser Stadt nicht am besten jene Zeitungen, die den niedrigsten vfii-
stinkten des Lesepöbels zu schmeicheln wissen, die aus d,e kniiimerlichüe
Phantasie ihre Existenz gegründet haben'? Gefällt der Menge nicht am