Full text: Der Marsch ins Chaos

eine Feldmesse zelebriert werden. Dorniger sah nichts 
davon, aber es mußte wohl so sein, denn es gab das 
Kommando: „Zum Gebet!“ und die Kapelle spielte 
„Vater ich rufe Dich!“ Dann folgte das „Gott 
erhalte!“ — wieder „Habt acht!“ — Marschbefehl 
— Defilierung ... 
Feldwebel Kleinmichel und Zugsführer Lemmerl 
traten beiseite, zu anderen Unteroffizieren, die nicht 
mitmarschierten. Die Soldaten schenkten den freund¬ 
lich Salutierenden keinen Blick. Ja, sie konnten auch 
gar nicht — jetzt mußten sie doch die Hälse wenden 
und die Augen verdrehen — jetzt, da sie vorbei¬ 
marschierten, mit letzter Kraftanstrengung, von einer 
rätselhaften Gewalt dazu gezwungen, stramm sich 
reckten und die Beine streckten und warfen im 
Parademarsch. Generäle standen dort, starr, ununter¬ 
brochen salutierend, kühlen Blickes die Soldaten 
musternd. Und daneben die Kapelle, die kräftig 
spielte. 
Blechinstrumente sah Dorniger glitzern, den Mann 
behielt er in Erinnerung, der wuchtig auf die große 
Trommel schlug, und den, der den Arm mit dem 
Taktstock hob und senkte ... und alle Musik, alle 
Bewegung, aller Takt der Schritte — alles schrie, 
schrie Marsch! Marsch! Und er selber sagte es mit, 
in seinem Schädel brummte es mit: Marsch! Marsch! 
Eine willenlose Puppe, ein automatisierter Mensch, 
eine Maschine aus Knochen und Fleisch und diszipli¬ 
nierten Nervenfasern — so marschierte er, mar¬ 
schierte Zug um Zug, marschierte die Kompagnie 
hinein in den Rangierbahnhof, hinein in die Vieh¬ 
wagen. 
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