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gelernt. Dort veröffentlichte er eine Abhandlung über < Be
rufs- oder Allgemeinbildung* , worin er warm für die Arbeit
als Bildungsmittel eintrat. Unsere Abhandlung über den
grossen Bildungswert der Handarbeit für die künstlerische
Erziehung muss ihm in der «Pädagogischen Reform» ohne
Zweifel zu Gesicht gekommen sein, denn sie stand an leiten
der Stelle. 1 )
Wir gingen also zu Herrn Kerschensteiners Vortrag und
hatten dort im Gotteshause zum St. Peter die Genugtuung,
mit Wärme und Überzeugung Ideen aussprechen zu hören,
die wir vor 35 Jahren schon ausgesprochen hatten, und um
deretwillen wir damals verfehmt worden waren. Wir ver
nahmen dort: Die passive Anschauung ist weit entfernt,
dem Seelenleben des Kindes gerecht zu werden. Selbst «die
wissenschaftlichen Pädagogen» haben den alten Betrieb der
Lernschule beibehalten. Die passive Lernschule wird aber
der aktiven und sozialen Natur des Kindes nicht gerecht
und lässt die produktiven Kräfte verkümmern. Um den
Kindern Interesse an den zu frühe gebotenen geistigen
Dingen beizubringsn, muss zu raffinierten Unterrichtsmetho
den gegriffen werden.
Das Wesen des Kindes ist Arbeiten, Schaffen, Wirken,
Probieren, Erfahren, Erleben, um aus der Wirklichkeit zu
lernen. In Werkstatt und Küche, im Garten und auf dem
Felde, im Stall und am Fischerboote sind die Kinder stets
zur Arbeit bereit.
Und nun öffnet sich die Schule. Weg ist alle Beschäf
tigung, weg alle Realität, weg alles produktive Schaffen,
weg die Welt des Kindes. Statt Sandhaufen — Tafel und
*) Es ist ferner höchst wahrscheinlich, dass Herr Kerschensteiner schon
vor mehr als drei Jahrzehnten unsern «Arbeitsunterricht» kennen lernte,
denn sein Bruder, der oberste Leiter der Münchener Schulwerkstätten,
kannte das Buch 1885 bald nach seinem Erscheinen, und empfahl es als
das beste in der Frage der Bildung und Erziehung durch Arbeit.
Diese Tatsache ist uns erst nach dem Erscheinen der ersten Auflage
dieser Schrift bekannt geworden.