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Es ist unbestreitbar, dass sich die Erziehungsmittel nach
dem Erziehungszweck richten. Nun hat Herr Kerschensteiner
schön und gut von der Arbeit als Ei ziehungsmittel, aber
er hat nicht vom Erziehungszweck gesprochen. So bleiben
wir völlig im unklaren, ob das Mittel dem Zweck entspricht,
oder ob der Zweck das Mittel erfordert.
Herr Kerschensteiner teilt selbst ganz richtig mit, dass
die Arbeit allen früheren Schulen fremd war. Er hätte aber
noch weitergehen und sagen können, dass die Arbeit über
haupt verachtet und verpönt war.
Wozu also heute Arbeit bei der Erziehung?
Herr Kerschensteiner antwortet:«Wir brauchen die Arbeit,
um Menschen zu erziehen, die den Zweck und Segen des
Staatsverbandes an der Wurzel erfassen lernen und ihm in
Dankbarkeit ihre Dienste widmen.»
Recht schön, aber haben die bisherigen Erziehungs
systeme denn nicht ohne Arbeit solche Menschen gebildet?
Wo war die Hingebung an den Staat grösser als im Altertum ?
Wozu also Arbeit bei der heutigen, bei der neuen Er
ziehung ?
Herr Kerschensteiner antwortet weiter: «Wir brauchen
die Arbeit, weil nicht das Buch der Träger der Kultur ist,
sondern die Arbeit, die hingebende, sich selbst aufopfernde
Arbeit im Dienste der Mitmenschen oder einer grossen
Wahrheit.»
Welch schöne Ehrung der Arbeit! Wir freuen uns ihrer
von Herzen. Und doch müssen wir Einsprache erheben.
Was, das Buch soll kein Träger der Kultur sein? Wirklich
nicht? Dann wären alle die berühmten Humanisten der
Renaissance Toren gewesen, dass sie so grosse Arbeit auf
wandten, um die alten Bücher wieder zu finden, dann wäre
die Renaissance, die aus diesen Büchern erblühte, eine Fabel ?
Nein, nein! Das Buch war Kulturträger und ist Kultur
träger, denn die Bücher der alten und neuen Klassiker
haben eine reiche Kultur verbreitet und verbreiten sie noch.