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losen Luftballon. Es müssten also Physiologie, Medizin und
Hygiene als Grundlagen der Pädagogik erklärt werden. Am
richtigsten ist es jedoch, die Anthropologie, das heisst die
Wissenschaft vom Menschen überhaupt, zur Grundlage der
Pädagogik zu nehmen. Die Wissenschaft vom Geistigen
allein kann nicht Grundlage der Pädagogik sein, sondern
nur die Wissenschaft vom ganzen Menschen. Sogar für die
heutige Schule reicht die Psychologie nicht mehr als Grund
lage aus, denn durch sie kann der Turnunterricht, der Zeichen
unterricht und der Gesangunterricht nicht begründet werden.
Von einer Psychologie des Gesanges, des Zeichnens, des
Turnens, der Arbeit, der Technik, der Kunst, der sozialen
und politischen Wirksamkeit zu reden, hiesse aber dem Worte
Psychologie Gewalt antun. Also kann nur die Wissenschaft
vom ganzen Menschenwesen die Grundlage der Erziehungs
wissenschaft, der Erziehungstheorie bilden. Neben die Anthro
pologie, oder die Lehre vom Menschen, muss jedoch auch
die Wissenschaft der Soziologie und der Sozialpolitik, die
Wissenschaft von der menschlichen Gemeinschaft, als Grund
lage der Pädagogik, gesetzt werden, denn sie bestimmt die
praktische Gestaltung des Erziehungs- und Bildungswesens,
und sie bestimmt auch die Theorie der Pädagogik. Wir
erheben deshalb mit 'vollem Bewusstsein Widerspruch gegen
die Lehre, dass die Psychologie die Grundlage der Päda
gogik sei und sein könne.
Unsere Ansicht ist natürlich eine Ketzerei; wir wissen
es wohl, aber diese Ketzerei ist nötig zur Begründung der
Arbeitsschule, und diese Ketzerei wird in der Zukunft als
eine Heilswahrheit gelten.
Wir haben also bewiesen, und jedermann sieht es ein,
dass die von Herrn Kerschensteiner angeführten Gründe
für die Einführung der Handarbeit nicht stichhaltig und be
weiskräftig sind. Diese Gründe sind nämlich auch für die
alte Lernschule, für die Wissensschule zutreffend. Es sind
alte Gründe, aber eine neue Forderung braucht neue Gründe.