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Erkenntnis, denn die Erfahrung muss die Anschauung kon
trollieren und korrigieren. Die Anschauung ist wohl eine
Quelle der Erkenntnis, aber die Arbeit ist auch eine Quelle
der Erkenntnis und zwar die grössere, reichere und tiefere.
Die Menschheit hat nicht durch Anschauung die Natur der
Metalle, der Erdarten, der Hölzer und der Dinge kennen
gelernt, sondern durch Bearbeitung. Die Anschauung sagt
uns nicht, dass das Eisen schmelzbar, dehnbar und schweiss
bar sei, wohl aber die Arbeit. Die Anschauung lehrt uns
nicht das Innere der Erde kennen, sondern die Arbeit des
Schacht- und Tunnelbaus. Die Anschauung lehrt uns nicht
Dampfschiffe, Eisenbahnen und Luftschiffe bauen, sondern
die Arbeit.
Wir laden die denkenden Leser ein, den Gedanken
weiter zu spinnen; er ist philosophisch und pädagogisch,
sozial, moralisch und künstlerisch fruchtbar und weittragend.
Ist die Anschauung der oberste Grundsatz des Unter
richts? Nein, das ist sie auch nicht. Die Arbeit ist der
höhere und höchste Grundsatz des Unterrichtes und der
Erziehung, denn die Arbeit schliesst die Anschauung ein,
während die Anschauung die Arbeit nicht einschliesst. Wer
etwas machen, etwas herstellen will, der muss Stoff und
Werkzeug und Muster genau anschauen, und er muss eine
klare Vorstellung des zu schaffenden Dinges haben.
Kerschensteiner will die Zukunftsschule mit der Hand
arbeit. Weil aber die heutige Wissenschaft der Pädagogik
ihm keine theoretische Grundlage dazu liefert und liefern
kann, so beginnt er damit, die alte Grundlage der Lern
schule, den Anschauungsunterricht, zu preisen und ihn als
Unterrichtsmethode für ewige Zeiten zu verkünden. Das
ist gerade so, als wenn jemand an Stelle eines alten Hauses
ein neues Haus bauen will, aber fordert, es dürfen dabei
die Grundmauern des alten nicht geändert werden. Wir
forderten vor 34 Jahren auch die Zukunftsschule, aber wir
begannen damit, den Anschauungsunterricht als ungenügend