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auf. Weder in der Philosophie und Pädagogik des Alter
tums noch des Mittelalters ist dieser Gedanke zu finden.
Auch die Philosophie der Neuzeit und der Neuesten Zeit
hat diese Gedanken nicht gezeugt, sondern er wurde von
den sozialen und pädagogischen Denkern in die Welt gesetzt.
Er wurde aus den neuen gesellschaftlichen Zuständen
und Bedürfnissen geboren. Mit den ersten Regungen der
bürgerlichen Gesellschaft tritt auch schüchtern der Gedanke
der Bildung durch Arbeit auf, so schon bei Rabelais,
Comenius, Locke.
Und heute, da der Staat aus freien, gleichberechtigten
Bürgern besteht, die zu neun Zehnteln von der Arbeit
leben müssen, heute ist das Bedürfnis nach Erziehung und
Bildung zur Arbeit vorhanden und macht sich immer mehr
geltend.
In jeder früheren Gesellschaftsform war die Arbeit Hand
arbeit: Hausarbeit, Familienarbeit, ungeteilte Arbeit. Mit
dem Aufkommen der bürgerlichen Gesellschaft kam die
Arbeitsteilung; es kamen die Grosswerkstätten (Manufakturen);
es kamen die Maschinen, und es entstanden die Fabriken.
So wurde die Handarbeit zur Maschinenarbeit, die Haus
arbeit zur Fabrikarbeit, und die Familie verlor ihren Cha
rakter als Arbeitsgemeinschaft. Die Familie wurde wirt
schaftlich aufgelöst, vernichtet. Vater und Mutter, Sohn
und Tochter hatten keine Arbeit mehr im Hause, sie hatten
nicht mehr gemeinsam an einem Werke zu arbeiten, sondern
sie gingen in die Fabrik, in die Werkstatt, ins Bureau und
jedes arbeitete im Dienste eines andern, etwas anderes;
sie arbeiteten am Teilstück eines Ganzen.
Als die Familie noch Arbeitsgemeinschaft, als die Arbeit
noch Hand- und Hausarbeit war, da lernten die Kinder
die Arbeit vom Vater und von der Mutter, da war die
Arbeitserziehung eine wichtige Aufgabe der Familie, und
der Staat hatte kein Bedürfnis, für Arbeitsbildung durch
Arbeitsschulen zu sorgen. Heute aber, da neun Zehntel
Seidel, Schule der Zukunft.
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