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aller Familien in den Städten und industriellen Ortschaften
und selbst viele Bauernfamilien gar keine Möglichkeit mehr
haben, ihren Kindern eine Arbeitsbildung angedeihen zu
lassen, heute, bei der grossartigen Teilung der Arbeit, heute
sind Arbeitsschulen ein dringendes soziales und staatliches
Bedürfnis. Staat und Gesellschaft haben ein hohes, ein
Lebensinteresse daran, dass die Kinder den reichen Segen
der bildenden und erziehenden Arbeit geniessen, dass sie
durch Arbeit für die Arbeit gebildet werden.
Einst besorgten die Zünfte vortrefflich die Berufsbildung.
Aber die Zünfte sind verschwunden, und die meisten Jüng
linge können nicht mehr beim Meister einen Beruf erlernen.
Die wirtschaftliche Entwickelung hat ganze Gewerbe be
seitigt und neue Gewerbe und Industrien geschaffen, in
denen es keine Handwerksmeister gibt, und in denen es
also auch keine Lehrmeister geben kann. Um die jungen
Leute einen Beruf zu lehren, braucht es Lehrwerkstätten,
Fachschulen, Gewerbeschulen, Handelsschulen, Landwirt
schaftsschulen, technische und polytechnische Schulen. Das
soziale Bedürfnis hat sie gebieterisch verlangt und das Ge
meinwesen hat sie herstellen müssen. Je mehr die Hand
arbeit durch die Maschinenarbeit, je mehr die Hausarbeit
durch die Werkstatt- und Fabrikarbeit, je mehr der Klein
betrieb durch den Grossbetrieb verdrängt wird, und je mehr
neue Industrien, neue Arbeitsmethoden und neue öffent
liche Betriebe (Eisenbahnen, Post, Telegraph etc.) entstehen,
desto grösser wird das soziale Bedürfnis nach Arbeits
bildung, und ein desto grösseres Interesse hat der Staat
an der öffentlichen Erziehung durch Arbeit zur Arbeit.
Die Arbeitsschule ist eine sozialpolitische und sozial-
pädagogische Notwendigkeit, wie wir vor 34 Jahren in der
Schrift: ^Der Arbeitsunterricht» zum ersten Male nach
gewiesen haben. In Vorträgen und Zeitungsartikeln hatten
wir diese Notwendigkeit schon viel früher betont.