8. Zeichnen, Arbeit und Kunstbildung.
Herr Dr. Kerschensteiner hat den hohen Wert des
Handarbeitsunterrichtes für die Kunsterziehung mit keinem
Worte hervorgehoben, oder auch nur angedeutet. Dagegen
hat er dem künstlerischen Bildungswert des Zeichnens nach
wirklichen, natürlichen Dingen, statt nach abstrahierten Linien
und Formen ein hohes Lob gesungen.
Wir stimmen freudig ein in das hohe Lob für einen
Zeichnungsunterricht, welcher Bilder von wirklichen Dingen
herstellt, und welcher der Natur des Kindes gerecht wird,
denn wir haben diese Art des Zeichnens schon lange und
lange vor Herrn Dr. Kerschensteiner betrieben. Schon als
Schüler kam uns die Erkenntnis von der Verkehrtheit des
Zeichnens nach Vorlagen, und wir erkannten das Zeichnen
nach Dingen als das Höhere und Bessere.
Aber das war vor 55 Jahren, und wie kann ein Schulbub
Besseres wissen, als die ganze gelehrte Welt! Später lernten
wir erkennen, dass die gelehrte Welt doch unrecht gehabt
hatte, der einfältige Schulknabe aber recht. Wir fingen an,
nach Kant, uns unseres eigenen Verstandes zu bedienen
und uns gegen die herrschende Schulweisheit aufzulehnen.
Der Mut des eigenen Denkens und Beobachtens führte
uns zur Erkenntnis, dass das Zeichnen von wirklichen Dingen
zwar gut, dass aber das Herstellen von wirklichen Dingen
besser sei. Wir fanden:
Der Handarbeitsunterricht ist bildender, als der Zeich
nungsunterricht; der Handarbeitsunterricht hat eine
weit stärkere, kunstbildende Kraft, als der beste Zeich
nungsunterricht.
Diese Ansicht legten wir 1885 in unserem Buche
«Der Arbeitsunterricht » nieder.
Das Zeichnen der Dinge ist eine Kunst der Abstraktion
und Konvention, das Machen der Dinge ist eine Kunst der
Wirklichkeit und Unmittelbarkeit. Lange Zeit haben die