39
von Gartenschemeln und Servierbrettern aus Holz, von
Kleiderhaken und Leuchtern aus Eisen entwickelt sich der
Formensinn, der Farbensinn, der Sinn für Symmetrie und
Grössenverhältnisse, das Verständnis für das Material und
seine Gesetze — kurz, es entwickeln sich der Kunstsinn,
das Kunstverständnis und die Kunstliebe.
Wer nennt ein besseres Fach und eine bessere Methode der
Kunstbildung als den Arbeitsunterricht ? Niemand, niemand !
Ein wahres Idealfach des kunstbildenden Handarbeits
unterrichtes ist das Modellieren. Da werden Kegel und
Pyramiden, Häuser und Türme, Gebirge und Häuser, Früchte
und Blätter, Hausgeräte und Werkzeuge, ja Tiere und Men
schen modelliert. Welche Lust, welche Befriedigung der
Kinder! Welche herrliche Kunstübung! Wie genau lernen
dabei die Kinder auf die Linien und Formen, auf die Ecken
und Kanten, auf die Erhöhungen und Vertiefungen, auf die ein
zelnen Teile, auf ihr Grössen verhältnis und ihre Lage, auf Licht
und Schatten achten. Welch klare Begriffe der Dinge gibt das!
Welches lebhafte Interesse nehmen die Kinder dabei
an den Dingen! Was für ein vorzüglicher Anschauungs
unterricht ist das! Wie fruchtbar kann diese Arbeit für die
Geometrie, für das Rechnen, für die Naturkunde, für Geo
graphie, für die Sprache und für das Verständnis des sozialen
Lebens gemacht werden! Lasst das Kind über seine Arbeit
schreiben, und es wird gut schreiben. Lasst das Kind die
gemachten Dinge zeichnen, und es wird sie spielend und
gut zeichnen.
Gerade dieses Idealfach der Kunstbildung scheint Herr
Dr. Kerschensteiner in München nicht zu treiben, denn von
ihm sprach er kein Wort. Wer aber in der Jugend die
reichen künstlerischen Anlagen wecken, wer sie für das
Berufsleben befruchten, wer durch die Kunst das Leben
adeln will, der muss den Arbeitsunterricht als das wich
tigste und beste Kunstbildungsmittel hegen und pflegen
zum Glück der Kinder und zum Heil des Volkes.