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leitete; auch in den Geisteswissenschaften sind Praxis und
Erfahrung den Theorien vorangegangen und haben als ihre
Erzeuger gewirkt.
Gewiss, auch die Theorie kann befruchtend auf den Er
finder wirken, aber erst muss eine Theorie da sein,
und Theorien können sich erst durch Tun und Machen
bilden.
Die Wissenschaft erklärt das Luftschiff für eine Un
möglichkeit, die Technik aber baut es doch, und dann
kommt die Wissenschaft, legt den Finger an die Nase, er
klärt das neue Wunder und schreibt eine Theorie darüber.
Das ist der Gang der Entwicklung, und das war der
Gang der Entwicklung von Technik und Wissenschaft.
Angesichts dieser Ursprünglichkeit und Wichtigkeit der
Technik drängt sich die Frage auf:
Was tut die Schule für die Bildung zur Technik, zur
höheren, vergeistigten Form der Arbeit? Was tut sie, um
die reichen natürlichen Anlagen und Kräfte der Jugend zur
Technik und zu technischen Erfindungen zu entwickeln?
Sie tut so gut wie nichts, denn Schreiben und Zeichnen
sind nur armselige technische Übungen, Schreiben und
Zeichnen sind nichts Ursprüngliches, sondern etwas Ab
strahiertes; die Menschheit ist erst spät darauf gekommen,
und die Jugend betrachtet sie nicht als technische Tätig
keiten.
Unsere heutige Lern- und Wissenschule lässt also die
ursprünglichen, natürlichsten und lustvollsten Kräfte und
Anlagen der Kinder zur Technik verkümmern, statt sie
durch pädagogische Handarbeit in Werkstatt, Garten, Feld
und Wald zu entwickeln zur Freude der Jugend, zum
Segen des Volkes und zum Heile der ganzen Menschheit.
Wie Pestalozzi vor hundert Jahren seine schweren An
klagen erhob, dass die Schule nichts tue, 1 ) um die «Kunst-
1) In den Schriften: «Wie Gertrud ihre Kinder lehrt» und: «Aus
sichten über Industrie, Erziehung und Politik».