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Felsengrund der Sittlichkeit, die freie Selbsttätigkeit. Die
Selbsttätigkeit führt zur Selbstachtung und gibt das Be
wusstsein der Würde. Die Würde ist der Stab der Sitt
lichkeit.
Das Wesen der Tugend besteht nicht in schönen Ge
fühlen, Gedanken und Worten, sondern in guten Taten.
Die guten Taten werden aber nicht durch Worte gelernt,
sondern durch Tun. Der Anfang und die Grundlage alles
sittlichen Tuns jedoch ist die Arbeit, das heisst, die gesell
schaftlich nutzbringende Tätigkeit.
Bei der Arbeit muss das Kind hören und sehen, fühlen
und denken, wollen und handeln; beim Aneignen von Wissen,
beim Lernen, braucht es sich meist nur passiv zu verhalten,
es braucht nur aufzunehmen.
Wie hoch an moralischer Wirkung steht der Arbeits
unterricht über dem Lernunterricht!
Die produzierende Arbeit gibt dem Denken einen wür
digen, anregenden Stoff und verhindert das Kind, Falsches
und Schlechtes zu denken; die gestaltende Arbeit gibt dem
Wollen ein klares gutes Ziel und verhindert das Kind,
Törichtes und Böses zu wollen; das freudvolle Schaffen der
Arbeit bringt das Kind ohne äusseren Zwang zur Aufmerk
samkeit, zur Sammlung, zur Selbstzucht, und die Arbeits
erzeugnisse führen das Kind zur Selbstprüfung und Selbst
erkenntnis, sowie zur rechten Wertschätzung der Mitarbeiter.
Welche grosse Summe sittlicher Bildungskräfte hat
doch der Arbeitsunterricht, und wie armselig erscheint da
gegen die blosse moralische Belehrung, selbst die nach dem
Kantschen Katechismus!
Es ist erfreulich, dass heute wieder überall Moral-
Pädagogik getrieben wird, aber es muss laut verkündet
werden.
Jede Moral - Pädagogik, welche die Handarbeit
nicht als ihr erstes und höchstes Gebot aufstellt, und
jede Moral-Pädagogik, welche die Arbeit nicht zur