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selben, die Arbeit, Bürgerrecht im Bildungswesen erlangen.
Alles Sträuben dagegen ist umsonst. Der Arbeit gehört
im Staate wie in der Pädagogik die Zukunft.» Auch in
unseren vielen Vorträgen in den 70er, 80er und 90er Jahren
in der Schweiz, und 1901 und 1902, 1910 und 1912 in
den grossen Städten Deutschlands und Österreich-Ungarns
haben wir die Arbeit als den Grundstein der Zukunfts
erziehung bezeichnet; ebenso sind die sozialdemokratischen
Parteien dieser Länder und Staaten durch unsere Schriften
und Vorträge dazu gekommen, die Arbeitsschule und Ar
beitserziehung in ihre Programme aufzunehmen.
Der Begriff der Zukunftsschule ist uns also ein alter
lieber Bekannter, aber wir haben ihn nie gedacht, ohne
auch an die Zukunftsgesellschaft und an den Zukunftsstaat
zu denken. Das unterscheidet uns von Herrn Dr. Ker
schensteiner, und es unterscheidet uns auch von den Päda
gogen, die von Zukunftspädagogik sprechen.
In Zürich ist die Zukunftsschule nichts Neues; sie hat
sogar amtlichen Kurs. Mehr als ein Jahr vor Herrn Dr.
Kerschensteiner hielt Herr Dr. Mousson, der Schulvorstand
von Zürich, im Kantonsrate eine gedankenreiche, bedeu
tende Rede für die Zukunftsschule mit dem Arbeitsunter
richt. Um ihr die Wege zu bahnen, wurde ein neues
Schulgesetz und eine neue Organisation des ganzen höheren
und niederen Schulwesens gefordert. Zur Begründung dieser
Forderung wies der Herr Schulvorstand auf die ungeheure
Wandlung der Gesellschaft in den letzten 50 Jahren hin.
Herr Dr. Kerschensteiner begründet seine Forderung
nach der Zukunftsschule weder mit der sozialen Umwälzung,
noch schlägt er irgendeinen Weg zur Erreichung der Ar
beitsschule vor. Das ist ein Mangel, der aus dem Mangel
an theoretischer pädagogischer Erkenntnis und aus dem
Mangel an Einsicht in den Zusammenhang zwischen so
zialem Wesen und Schule hervorgeht. Der Zürcher Schul
vorstand hat tiefer geblickt.
Seidel, Schule der Zukunft, 4