Full text: Gottes Reich ist in Euch , oder das Christentum nicht als eine mystische Lehre, sondern als neue Lebensanschauung

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keiner bestimmten Sekte angehören, halten die Gewaltthat und 
demzufolge auch den Kriegsdienst für unvereinbar mit dem Christen¬ 
tum, Deshalb wird auch jedes Jahr bei uns in Rußland von 
einigen Rekruten der Kriegsdienst verweigert, auf Grund ihrer 
religiösen Überzeugung. — Und was thut die Regierung? Läßt sie 
sie frei? — Nein. — Zwingt sie sie zum Marschieren unter An¬ 
drohung von Strafe im Falle der Weigerung? — Nein. 
Im Jahre 18 l8 verfuhr die Regierung so, wie im folgenden 
Auszug aus dem Tagebuch von Nikolai Nikolajewitsch Murawiew 
angegeben ist, welches von der Censur unterdrückt worden ist. 
Tiflis, 2. Dez. 1818. 
„Heute morgen sagte mir der Kommandant, man habe kürzlich 
fünf leibeigene Bauern aus dem Gouvernement Tambow nach 
Grüften gesandt. Diese Leute sind für das Heer ausgehoben 
worden, verweigern aber den Dienst Man hat sie bereits mehr¬ 
mals mit der Knute und mit Spießruten bestraft, aber sie 
unterwerfen sich ohne Widerstand den grausamsten Qualen und 
dem Tod, um nicht Soldat zu sein. ,Laßt uns ziehen/ sagen 
sie, ,thut uns nichts Böses und auch wir werden niemand Böses 
thun. Alle Menschen sind gleich, und der Zar ist ein Mensch 
wie wir. Warum sollten wir ihm Steuern zahlen? Warum 
sollen wir unser Leben aussetzen, um Menschen, die uns nichts 
Böses gethan haben, im Kriege zu töten? Ihr könnt uns in 
Stücke zerschlagen, aber unsere Ansichten nicht ändern. Wir 
werden nicht den Mantel anlegen und wir werden nicht aus der 
Soldatenschüssel essen. Wer Mitleid mit uns hat, wird uns 
Almosen geben, wir haben nichts mit dem Zaren zu schaffen und 
wollen nichts mit ihm zu thun haben? So sprechen diese Bauern. 
Sie behaupten, es seien noch viele ihresgleichen in Rußland. 
Man hat sie viermal vor das Minister-Komitee geführt und endlich 
dem Kaiser über sie berichtet. Er hat befohlen, sie zur Besserung 
nach Grüften im Kaukasus zu schicken^ mit dem Befehl an den 
Obergeneral, ihm monatlich über die Fortschritte ihrer Bekehrung 
zu vernünftigen Ideen zu berichten." 
Wie die Sache endete, weiß man nicht. Überhaupt ist über 
den ganzen Vorfall das tiefste Geheimnis bewahrt worden. 
So bandelte die Regierung vor fünfundsiebzig Jahren, so 
handelte sie in den meisten Fällens^welche immer sorgfältig ge¬ 
heim gehalten wurden, so handelt sie noch heute, außer in Bezug 
auf die deutschen Mennoniten, welche nn Gouvernement Cherson 
leben, deren Verweigerung des Kriegsdienstes als gerechtfertigt 
anerkannt wird. Man stellt sie für die Dauer ihrer Wehrpflicht 
im Forstwesen an. In den meisten Fällen von Verweigerung 
des Kriegsdienstes zufolge reliöser Überzeugung von Leuten,
	        
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