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Hauptsatze kann nirgends so klargemacht werden wie an der
lateinischen Syntax. Vergleichen wir damit die modernen
Sprachen, so zeigt es sich, dass weder die Formenlehre noch
die Syntax ähnliche Vorth eile hietet. Im Französischen und
Englischen ist der Accusativ fast durchwegs dem Nominativ
gleichlautend, und die Satzconstructionen sind zwar mitunter
recht schwierig, lassen aber nirgends die Beziehungen der
Nebensätze auch nur mit annähernd ähnlicher Durchsichtigkeit
erkennen wie das Lateinische und Griechische. Versuchen wir
z. B. in den bekannten Versen aus Faust:
„Ich bin zu alt, um nur zu spielen,
Zu jung, um ohne Wunsch zu sein”
den zweiten Vers ins Französische und Englische und dann
ins Lateinische und Griechische zu übertragen. Französisch
wird der Satz etwa lauten: „Je suis trop jeune, pour etre sans
desir”, im Englischen etwa: „I am too youug, to be withont
desire”. In beiden Sprachen ist die Construction der deut¬
schen ganz analog, und das Verhältnis des Nebensatzes tritt
also nicht deutlicher hervor. Lateinisch müssten wir etwa sagen:
„iuvenilior est aetas, quam ut cupidinibus caream” und griechisch:
„vjtoTspdc sijJ-t, rj wate avsjr'.ü'öp.vjtoc stvai”. Hier sieht man an
dem „quam ut” und an dem „7j toars” sofort, dass der Neben¬
satz „um ohne Wunsch zu sein” ein Consecutivsatz ist, und
das ist für seine wahre Bedeutung entscheidend.
Man sieht schon aus diesen wenigen Beispielen, dass die
modernen Sprachen sich an formalem Bildungswerte mit den
antiken in keiner Weise messen können. Das Französische
bietet allerdings höchst wertvolles Material für Formen- und
Bedeutungsgeschichte, allein dieses Material kann erstens nur
auf Grundlage einer genauen Kenntnis des Lateinischen ver¬
wertet werden, und es verlangt weiter das sehr schwierige
Studium der älteren Spraehperioden. In der lateinlosen Real¬
schule kann also diese Seite so gut wie gar nicht berücksichtigt
werden. Auf dem Gymnasium wäre es allerdings möglich, in
der Weise Französisch zu lehren, dass ein Theil des hier an-