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ein sicherer und großer Gewinn. Auf der Schule aber dürfte
es schwer möglich sein, das von Wilamowitz angestrebte Ziel
damit zu erreichen.
So entschieden ich also in der Hauptsache anderer Meinung
hin als Wilamowitz, so sehr freue ich mich, in seinen Bemer¬
kungen Gedanken zu finden, die ich als wertvolle Stütze für
meine eigenen Anschauungen betrachten darf. So hebt auch
Wilamowitz hervor, dass die griechische Grammatik an sich
bildend sei. „Die Sprache bleibt doch immer das wunderbarste
Erzeugnis des menschlichen Geistes: an der griechischen kann
auch der Schüler, freilich erst auf der Oberstufe, den orga¬
nischen Bau dieses Kunstwerkes der Natur begreifen.” (S. 208.)
Er bezeichnet es ferner als das für das Griechische gegenüber
dem Lateinischen Charakteristische, „dass die Syntax nicht
logisch, sondern psychologisch ist”. An diese Äußerungen
möchte ich nun anknüpfen, wenn ich darangehe, über den
formalen Bildungswert des Griechischen zu sprechen.
Was das Lateinische an formalem Bildungswerte bietet, ist
oben charakterisiert worden. Das Griechische gestattet nun,
oder richtiger gesagt, bringt es von selbst mit sich, dass die
formale Schulung dadurch ungemein vertieft und zugleich ver¬
feinert werden kann. Dabei gibt der Elementarunterricht noch
Anlass zu Belehrungen, die keine andere Sprache in so reichem
Maße und in so leichter Verständlichkeit bietet. Schon beim
Anschreiben der Buchstaben lassen sich hier durch entsprechende
Gruppierung die Elemente der Phonetik beibringen. Man muss
bei der Formenlehre zwischen Mutae und Liquidae unterscheiden,
man muss Lippen-, Zahn- und Kehllaute ebenso wie innerhalb
jeder Gruppe media, tenuis und aspirata auseinanderhalten
lernen. Mit all dem hat man schon wichtige Elemente der
allgemeinen Lautlehre kennen gelernt. Ebenso vermittelt die
Formenlehre eine Reihe wichtiger Lautgesetze und gibt so
Einblick in die lautliche Werkstätte der Sprache. Weder das
Lateinische noch das Französische noch auch das Deutsche
kann diese Einsichten vermitteln. Man muss nur das freudige