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hat sich mancher Deutsche die Rede verdorben, am Griechi¬
schen kaum; wohl aber kann man in Frankreich noch heute
wie für das XVI. Jahrhundert zeigen, dass die höchste stilistische
Kunst dem Studium des Griechischen verdankt wird.” (S. 209.)
Dieser reiche Bildungswert, den schon die Sprache ent¬
hält, kann aber nur durch gründliche Durcharbeitung des Ge¬
lesenen hervorgeholt werden. Ich muss deswegen bekennen,
dass ich die in jüngster Zeit oft ausgesprochene Forderung, mög¬
lichst viel zu lesen, nicht für ersprießlich halte. Nicht auf die
Menge, sondern auf die Gründlichkeit kommt es hier an. Ein¬
dringendes Verständnis auch der kleinsten Einzelheiten muss
erzielt werden, wenn der Gewinn ein bleibender sein soll.
Wenn man befürchtet, bei zu langsamem Lesen müsse das
Interesse der Schüler erlahmen, so mag dies ja vielleicht in
thatsächlichen Erfahrungen begründet sein. In der Sache selbst
liegt kein Grund dafür vor. Dazu ist der Inhalt des Gelesenen
zu bedeutend, und das ist eben ein weiterer nicht hoch genug
anzuschlagender Vorzug des Griechischen. Die oft nicht ganz
leicht verständlichen kunstvollen Perioden bei Demosthenes und
Platon lohnen eben die Mühe, sich mit ihrer sorgsamen, oft
pedantischen Zergliederung abzumühen; denn was dann heraus¬
kommt, sind bedeutende, für das ganze Leben wertvolle Ge¬
danken. Von diesem Punkte soll indessen noch weiter unten
die Rede sein.
Die Formen- und die Satzlehre der griechischen Sprache
enthält somit einen überaus reichen Bildungsstoff, der es mög¬
lich macht, die formale Schulung auf eine Höhe zu heben, wie
sie durch das Lateinische auch nicht annähernd erreicht werden
kann und wie sie der Unterricht in den modernen Sprachen
gar nicht einmal ahnen lässt. Wenn dieser Bildungsstoff nicht
immer richtig verwertet und so eines der Hauptziele des grie¬
chischen Unterrichtes nicht immer in wünschenswertem Aus¬
maße erreicht wird, so ist sicher das Griechische selbst nicht
schuld daran. Es mag ja sein, dass manche Lehrer bei der Ein¬
übung der Formen so ausschließlich die vollständige Erlernung