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Full text: Der Bildungswert des altsprachlichen Unterrichtes und die Forderungen der Gegenwart

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kann uns das beweisen. Der Grieche fühlt das Bedürfnis, seine 
Rede zu gliedern, zwischen den einzelnen Theilen deutliche Be¬ 
ziehungen herzustellen. Wo wir durch Heben der Stimme, 
durch Pausen die Gliederung hersteilen, bringt der Grieche sein 
Ornament an, das als deutlicher Hinweis den Hörer aufmerk¬ 
sam macht und das Band herstellt zwischen den correspon- 
dierenden Theilen des Satzes. Das Partikelpaar p.sv und 3s „theilt 
die fließend immer gleiche Reihe belebend ab, dass sie sich rhyth¬ 
misch regt”. Auch die Wortstellung zeigt ästhetisch gefällige 
Gruppierungen, und es ist kein Zufall, dass die Griechen den 
Rhythmus der Prosarede zuerst zum Bewusstsein gebracht und 
dann kunstmäßig ausgebildet haben. Der Lehrer, der alle diese 
Dinge mit wissenschaftlicher Gründlichkeit studiert hat, findet 
schon in den ersten zwei Jahren leicht Gelegenheit, darauf hin¬ 
zuweisen und so das Interesse zu beleben. 
Zu dem Bildungswerte, den die griechische Sprache an sich 
bietet, kommt nun der viel höhere Bildungsgehalt der griechi¬ 
schen Autoren. Diesen Gehalt glaubt man nun auch durch 
Übersetzungen vermitteln zu können. Bis zu einem gewissen 
Grade mag dies ja möglich sein- Wer die Dichtungen Homers, 
die Tragödien des Sophokles in guten Übersetzungen gelesen hat, 
weiß mehr davon, als wenn er sie gar nicht gelesen hätte. 
Allein jeder Lehrer, der Sprachunterricht ertheilt, weiß aus seiner 
täglichen Erfahrung, dass tiefes und eindringendes Verständnis 
eines Sprachkunstwerkes nur durch gründliche sprachliche Inter¬ 
pretation zu erzielen ist, und diese lässt sich nur am Originale 
ausführen. Sprachliche und sachliche Erklärung können und 
dürfen eben nicht nebeneinander hergehen wie zwei vonein¬ 
ander unabhängige Functionen, beide müssen sich im Gegen- 
theile vollständig durchdringen. Mit Anlehnung an einen be¬ 
kannten Ausspruch Kants kann man sagen: Sprachliche Er¬ 
klärung ohne sachliche bleibt leer, sachliche Erklärung ohne 
gründliches Verständnis der Sprache bleibt blind. 
Die gründliche grammatische Interpretation bietet, insbe¬ 
sondere wenn sie auf psychologische Grundlage gestellt wird,
	        
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