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Full text: Der Bildungswert des altsprachlichen Unterrichtes und die Forderungen der Gegenwart

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der Etymologie einzuführen und auch auf' das hinzuweisen, was 
Wilhelm v. Humboldt die innere Sprachform genannt hat. Die 
so durchsichtigen Zusammensetzungen fordern ja von selbst 
dazu auf, die Bestandtheile derselben einzeln ins Auge zu fassen. 
Aber auch zur Berücksichtigung der Etymologie der Wurzel¬ 
wörter ist in den Bedürfnissen der Interpretation vielfach Anlass 
gegeben. Hier vermisst der Lehrer — das sei gelegentlich be¬ 
merkt — ein bequemes, dem gegenwärtigen Stande der Wissen¬ 
schaft entsprechendes Nachschlagewerk. Auch innerhalb des 
homerischen Wortschatzes selbst, ohne Rücksicht auf verwandte 
Sprachen, ergeben sich oft sehr passende Gelegenheiten, auf 
interessante Bedeutungsübergänge hinzuweisen. So findet der 
Schüler iröxa und jtotuvöc in der sinnlichen Bedeutung „dicht” 
und liest dann Wendungen wie 7toxtvi ©peai p.YjSsa slowc, wo das 
Wort „klug”, „gut ausgedacht” bedeutet. Offenbar liegt hier 
das Bild eines dichten unzerreißbaren Gewebes zugrunde, mit 
dem ein gut ausgedacliter, schwer zu durchkreuzender Plan 
verglichen wird, und so ist es schon bei Homer „mit der Ge¬ 
dankenfabrik wie mit einem Webermeisterstück”. 
Der culturgeschichtlichen Belehrung, die sich aus 
Homer gewinnen lässt, wird meiner Ansicht nach etwas zu 
wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Die bekannte Beschreibung 
der Scenen, die Hephaistos auf dem für Achill bestimmten 
Schilde zur Darstellung bringt (II. XVIII, 482—608), lässt sich 
in diesem Sinne vortrefflich verwerten. Insbesondere die dort 
erwähnte Gerichtsscene (497—508) bietet interessanten Stoff zu 
Hinweisen auf die Einrichtung des Wergeides, der Eideshelfer 
und der sogenannten Processwette. Wie sehr solche Dinge die 
Schüler interessieren, habe ich erst unlängst in der Schule er¬ 
fahren. Die nicht ganz leicht verständlichen Verse 507 — 508, 
wo von den zwei Talenten Geldes die Rede ist, die der Richter 
als Lohn für den gerechten Wahrspruch erhält, veranlasste 
mich, auf das Werk „Ethnologische Jurisprudenz” von Her¬ 
mann Post hinzuweisen. In einer der nächsten Stunden brachte 
ein Schüler einige recht interessante Analogien zu der home-
	        
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