24
der Etymologie einzuführen und auch auf' das hinzuweisen, was
Wilhelm v. Humboldt die innere Sprachform genannt hat. Die
so durchsichtigen Zusammensetzungen fordern ja von selbst
dazu auf, die Bestandtheile derselben einzeln ins Auge zu fassen.
Aber auch zur Berücksichtigung der Etymologie der Wurzel¬
wörter ist in den Bedürfnissen der Interpretation vielfach Anlass
gegeben. Hier vermisst der Lehrer — das sei gelegentlich be¬
merkt — ein bequemes, dem gegenwärtigen Stande der Wissen¬
schaft entsprechendes Nachschlagewerk. Auch innerhalb des
homerischen Wortschatzes selbst, ohne Rücksicht auf verwandte
Sprachen, ergeben sich oft sehr passende Gelegenheiten, auf
interessante Bedeutungsübergänge hinzuweisen. So findet der
Schüler iröxa und jtotuvöc in der sinnlichen Bedeutung „dicht”
und liest dann Wendungen wie 7toxtvi ©peai p.YjSsa slowc, wo das
Wort „klug”, „gut ausgedacht” bedeutet. Offenbar liegt hier
das Bild eines dichten unzerreißbaren Gewebes zugrunde, mit
dem ein gut ausgedacliter, schwer zu durchkreuzender Plan
verglichen wird, und so ist es schon bei Homer „mit der Ge¬
dankenfabrik wie mit einem Webermeisterstück”.
Der culturgeschichtlichen Belehrung, die sich aus
Homer gewinnen lässt, wird meiner Ansicht nach etwas zu
wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Die bekannte Beschreibung
der Scenen, die Hephaistos auf dem für Achill bestimmten
Schilde zur Darstellung bringt (II. XVIII, 482—608), lässt sich
in diesem Sinne vortrefflich verwerten. Insbesondere die dort
erwähnte Gerichtsscene (497—508) bietet interessanten Stoff zu
Hinweisen auf die Einrichtung des Wergeides, der Eideshelfer
und der sogenannten Processwette. Wie sehr solche Dinge die
Schüler interessieren, habe ich erst unlängst in der Schule er¬
fahren. Die nicht ganz leicht verständlichen Verse 507 — 508,
wo von den zwei Talenten Geldes die Rede ist, die der Richter
als Lohn für den gerechten Wahrspruch erhält, veranlasste
mich, auf das Werk „Ethnologische Jurisprudenz” von Her¬
mann Post hinzuweisen. In einer der nächsten Stunden brachte
ein Schüler einige recht interessante Analogien zu der home-