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dene, oft ganz entgegengesetzte Meinungen herrschen. Wila-
mowitz hat ihn in sein Lesebuch nicht aufgenommen. „Stilisierte
Rede,” meint er, „ist ja im Latein und Französisch, auch in der
Dichtung dieser Sprachen, ausgiebig vertreten, und es scheint
in den vier Jahren1) Griechisch kein Platz verfügbar.” (S. 210.)
Er gibt aber zu, dass Demosthenes dem Redner Cicero weit
überlegen ist und dass sich an Isokrates sehr Wichtiges für die
prosaische Darstellung überhaupt lehren ließe. Dass die Reden
des Demosthenes Kunstwerke ersten Ranges sind, wird wohl
allgemein zugegeben, allein viele glauben, sie seien zu schwer,
als dass ihr künstlerischer Wert der Mehrzahl der Schüler zu
vollem Bewusstsein gebracht werden könnte. Ein noch schwererer
Einwand wird aber von denen erhoben, die der Ansicht sind,
Demosthenes habe seine historische Kurzsichtigkeit bewiesen,
indem er etwas Unrettbares vertheidigte. Gefühlspolitik sei
aber etwas durchaus Ungesundes und darum der Jugend fern¬
zuhalten. Nun muss man ja zugeben, dass die Geschichte den
Gegnern des Demosthenes recht gegeben hat. Man kann sich
sogar auf den Standpunkt stellen, dass Isokrates richtig ge-
urtheilt hat, wenn er einen Angriffskrieg gegen die Perser unter
makedonischer Führung als national-griechisches Unternehmen
bezeiehnete. Denn der Eroberungszug Alexanders hat ja that-
sächlich die Gräcisierung des Orientes zur Folge gehabt, und
die daraus erwachsene hellenistische Cultur ist, wie wir immer
deutlicher erkennen, historisch von großer Bedeutung. Allein
diese wissenschaftliche Erkenntnis ändert nichts an der That-
sache, dass die Freiheit und Selbständigkeit Athens in den
Jahren 500—338 eine Culturarbeit geleistet hat, die an Reich¬
thum und Mannigfaltigkeit der Leistungen ihresgleichen in der
Geschichte nicht hat, eine Culturarbeit, an deren Früchten wir
uns noch erfreuen und geistig nähren. Demosthenes hat bekannt¬
lich das Geschichtswerk des Thukydides eifrig studiert. Er hat
in der berühmten Leichenrede des Perikies (Thuk. II, 35—45)
!) Wilamowitz schlägt bekanntlich vor, vier Jahre Griechisch in je
neun Wochenstunden zu lehren.