Full text: Handeln auf eigene Gefahr

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Es giebt aber noch andere Ausfassungen der rechtlichen 
Natur der Nothstandshandlung. Vielfach wird die Ansicht 
vertreten, daß eine in Nothlage vorgenommene Angriffshand 
lung rechtmäßig und erlaubt sei, daß es ein subjektives 
Recht gebe, in der Noth in die sonst geschützte Rechtssphäre 
Anderer einzugreifen (sog. Nothrecht)?). Auf diesem Stand 
punkt erscheint es gleichwohl, wie in den früher (Nr. I) be 
handelten Fällen, als ein Postulat der ausgleichenden Ge 
rechtigkeit, daß solche Eingriffe nur gegen Ersatz des zugefügten 
Schadens gestattet seiend): man darf sich angriffsweise 
retten, aber nicht auf fremde Kosten. — Eine andere 
Ansicht — und für diese scheinen mir die besten Gründe zu 
sprechen — geht dahin, daß der im Nothstand Handelnde 
zwar kein Recht zum Eingriff in die fremde Rechtssphäre hat, 
aber doch hiermit kein Unrecht begeht, daß also die Nothstands 
handlung weder erlaubt noch verboten, sondern upvprhoten 
ist"). Die Nothstandshandlung fällt, da sie unter außer 
ordentlichen Umständen vorgenommen wird, aus dem Rahmen 
der Rechtsordnung hinaus: Noth kennt kein Gebot, Noth 
bricht Recht'°). Auch auf diesem Standpunkt aber fordert 
die Billigkeit, daß die, wenngleich unverbotene, Rettung 
nicht aus Kosten und zum Nachtheile Anderer stattfinde und 
daß dem Handelnden daher die Pflicht auferlegt werde, den 
in der Nothlage zugefügten Schaden zu vergüten (obliAutio 
7) Zahlreiche Vertreter dieser Ansicht in der kriminalistischen Literatur 
führt Binding Handb. des Strafr. I S. 763 Note 26 an. 
S) Lgl. auch Tuhr S. 133 Note 4. Dagegen erklärt der hessische 
Entw. Art. 207 die Nothstandshandlung für erlaubt und ersatzfrei. 
S) Dies ist die Ansicht von Binding Handb. I S. 765. 766 und 
Wohl auch von Liszt Deutsches Strafrecht tz 35. 
10) Graf und Dietherr Deutsche Rechtssprüchwörter S. 388 fg. 
Vgl. auch Jhering Zweck im Recht i (2. Aufl.) S. 250: „Im Noth 
stande hört das Recht auf".
	        
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