IV.
1. Die Sicherheit des Verkehrs fordert, daß der
gutgläubige Empfäng er einer Willenserklärung sich darauf muß
verlassen können, daß dieselbe dem Willen des Erklärenden
entspricht. Während man nun über die Behandlung gewisser
Fälle (Mentalreservation, Scherz'), Handeln des Vertreters
in eigenem Namen) ziemlich einig ist, herrscht lebhafte Meinungs
verschiedenheit über die Behandlung einer auf Jrrthum be
ruhenden Willenserklärung 2). Eine in neuerer Zeit vielfach
und geistvoll vertretene Ansicht geht dahin, daß der Erklärende
auch in diesem Falle an seine Erklärung gebunden bleibt, ob
gleich sie seinem Willen nicht entspricht: er haftet hiernach
aus der irrthümlich abgegebenen Erklärung und auf den In
halt derselben (sog. Erklärungstheorie)"). Nach einer andern
1) Der nicht erkennbare Scherz verdient m. E. (Grünhut's Zeitschr.
XV S. 6S7 Note 7») selbst dann keine Berücksichtigung, wenn er nicht
in der Absicht zu täuschen gemacht wird (sog. guter Scherz): daS Recht ist
auf den Ernst des Lebens berechnet. Ich vermag daher tz. 93 Entw. II
nicht zu billigen und möchte die Streichung desselben empfehlen, da er im
übrigen ganz überflüssig ist.
2) Eine sorgfältig abwägcnde Erörterung aller hier in Betracht kom
menden Gesichtspunkte findet sich bei Bekker System II S. S4 fg.
3) Dies ist der Standpunkt des badischen Landr. Art. Ilio»
und des österr. bürg. Gesetzb. tz. 87k. Die Vorschrift des österr. Ge-
setzb. (tz. 87k), welche von Kohler in den dogmat. Jahrb. XXVIII S. 2LK
mißverstanden wird (vgl. unten Nr. X Note 8), sucht Ofner in Grün
hut's Zeitschr. XVII S. 331 fg. (und nun auch Krasnopolski in der
lehrreichen Abhandlung: Der Schutz des redlichen Verkehrs 1892 S. 4I fg.)