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Imbiluvkreins Mall.
II. Jahrgang.
Wien, 27. December 1882.
Nr. 15.
Adresse des Wiener Domdaiwercins au Seine Majestät den Kaiser
zum 600jährigen Jubiläum der Belehnung des Hauses Habsburg mit den österreichischen Landen.
Dure kaiserliche und königliche MnMäl!
Reichs Völker ergreifen mit Freuden jede Gelegenheit, vor ihre» geliebten Herrscher» den
Gesichten der Treue und Liede, weiche Volk und Dynastie verketten, ehrerbietigsten und wärmsten Ausdruck
zu geben. So einigen sich am heutigen Gedenktage der für Dcsterreichs Größe wichtigsten Arra die Abge
sandten der mannigfachsten Bevölkcrungskrcisc vor dem Throne Eurer Majestät, um an dessen Stufen ihre
Huldigungen und Segenswünsche in schuldiger Ehrfurcht niederznlegen. Unter ihnen glaubte der Wiener
Dombauverrin nicht fehlen zu dürfen.
Innig ist die Geschichte der St. Stephanskirchc mit der Geschichte unseres erlauchten Herrscher
hauses, wie des Deiches und der Residenzstadt Wien verflochten. Wenn .je ein Dom, außer seiner religiösen
Bedeutung, als ein Symbol betrachtet werden kann und muß, so ist cs der von St. Stephan: ein Symbol
der im Laufe der Jahrhunderte langsam aber sicher fortschreitenden Macht des Dstreichcs, ein Symbol
der Liebe, welche das Herrscherhaus mit den Rnterthancn verbindet, ein Denkmal des in Habsburg sich
vererbenden ticfreligiüsen Sinnes und der Liebe für hohe Kunst. Aus kleinen Anfängen haben ihn die
Habsburger Regenten umgcschasfcn zum herrlichsten Bau; sie haben durch ihr Beispiel die Bürgerschaft
»»geeifert zu liebevollem Mitwirken. Rirlc Herrscher und Fürsten unserer geliebten Dynastie habe» in
unmittelbarer Rühr des Hochaltnres von St. Stephan ihre ewige Ruhestätte sich gewählt, weil dieser Hoch
altar Zeuge ist, wie nach jeder Großthat, zu jeder allgemeinen Freude Fürst und Volk im Dome sich
treffen, um Gott, dem Geber alles Guten, zu danken; Zeuge vielen Leides, schwerer Arbeit, in welchen
Fürst und Volk treu zu einander stehen, zu Füßen des Kreuzes lieh Trost und Kraft erbittend.
Immer wird es am sturmuinbrausten Dome zu ergänzen, ueuzuschaffen geben. Denn soll ein Bau
nicht früher oder später der Zerstörung anheimfallcn, so muß, was im Lause der Zeiten hinfällig wird,
unterstützt, was aber ganz untauglich geworden ist, durch entsprechende, lebenskräftige Gebilde erseht
werden. Bei dieser Arbeit an der Mctropolitankirchc St. Stephan mitzuwirkcu, hat der Wiener Dombau-
vcreiu freiwillig sich zur Pflicht gemacht. Der Liebe des Allerhöchsten Kaiserhauses zu dieser Kirche hat
er rs zu verdanke», daß er Ihre Kais, und künigl. Majestäten, das Allerhöchste Kaiserpaar selbst, als seine
mächtigsten Förderer und Gönner, und Se. Kais, und künigl. Hoheit den durchlauchtigsten Kronprinzen
Erzherzog Rudolph als seinen Proteetor bezeichnen darf.
Der Wiener Dombauverrin erkennt cs daher als seine Pflicht, am Gedenktage der vor sechshundert
Jahren vollzogenen Belehnung des Hauses Habsburg mit den österreichischen Landen Eurer Kais, und
künigl. Majestät als dem Dbcrhnuptc dieses unseres erlauchten Herrscherhauses die tiefgefühlten Glück
wünsche und ehrfurchtsvolle Huldigung darznbringcn:
Gott, der Herr, erhalte Eure Kais, und künigl. Apostolische Majestät noch lange Jahre im Voll-
grnuffe geistiger und körperlicher Kraft! Er sende reichsten Segen über unsere geliebte Hcrrschcrsnmilic!
Er lasse das ruhmvolle, erlauchte Rcgcntcnhaus Habsburg blühen bis in die fernsten Zeiten!
Wien, am 27. December 1882.