Wiener
INIM'l
X. Jahrgang.
Darstellung der 7 Sacramente auf der
Kaiyel nun St. Stephan.
Von W. A. Nenmann.
(Schluß.)
Nicht ohne Besorgniß, von eineni oder dem anderen
Leser mißverstanden zn werden, gehe ich an das
Niederschreiben der folgenden Zeilen. Aber sie müssen
eben geschrieben werden, wenn die Thatsache erklärt
werden soll, warum wir in alter Zeit gar keine und
seit der scholastischen Periode im Mittelalter nur sehr
seltene Darstellungen der 7 Sacramente besitzen. Hier ist
der Platz nicht, nachzuweisen, daß das Concil von Trient
Sess. VII. Ca». 1, mit Recht 7 Sacramente (nicht
mehr und nicht weniger) lehrt, nur dürfte es angezeigt
sein, daraus hinzuweiscn, daß in der griechischen Kirche
auch auf den nach dem Tridentiner Concile gehaltenen
Kirchenversammlungen von 1638,1642,1672 die Sieben-
zahl gerade unserer Sacramente festgehalten ist; so
wenig freundlich auch die Beziehungen der griechischen
Kirche zur lateinischen waren, an dieser Lehre, die des
halb als eine altchristliche sich darstellt, als eine, die
nicht erst in der lateinischen Kirche sich etwa herans-
krystallisirt habe, an dieser Lehre hielten die beiden
Kirchen fest. Freilich muß gestanden lverden, daß weder
die byzantinischen, noch die lateinischen geschriebenen
Documente des christlichen Alterthums die Siebenzahl
der Sacramente klar und deutlich ausgesprochen haben,
aber daß dennoch die mündliche Tradition für diese
Lehre eintrat, zeigt eben der Consensus beider Kirchen,
der sicher nicht erst durch die irenischeu Bestrebungen
der mittelalterlichen Päpste und Concilien erzeugt wor
den ist, oder nicht hätte erzeugt werden können, ohne
eine Hinterlage im Bewußtsein der orientalischen Kirche
zu besitzen. Und doch muß wieder gesagt werden, daß
es eigentlich erst die scholastische Theologie war,
welche den Begriff des heiligen Sacramentes, wie er
heute in der katholischen Kirche lebt, in der ganzen
Schärfe der Definition hingestellt hat, seine Materie
und Form, seine Wirksamkeit und all' die Fragen, die
damit Zusammenhängen. Auch die Siebenzahl. Denn
wenn auch die heil. Sacramente oft in den Schriften
der vorscholastischeu Zeit behandelt werden, so werden
sie nicht alle in einer Gruppe behandelt, sondern
einzeln und in kleineren Gruppen, oder aber es werden,
eben weil der Begriff suorwmantrim nicht auf die
7 Sacramente restringirt war, auch andere heilige
Handlungen mit diesen, Namen bezeichnet, welche seit
der Zeit der Scholastiker nicht mehr in, engeren Sinne
Nr. 10 (2. Serie).
Sacramente heißen. Das dogmengeschichtliche Detail
wird mir der gütige Leser erlassen, denn es gehört
nicht in ein Blatt, das den Charakter des Dombau
blattes trägt. Die Siebenzahl ist deutlich ausgesprochen
von Bischof Otto von Bamberg, 1123: „Nun,
da ich fortziehe von Euch, übergebe ich Euch als
vom Herrn uns übertragenes Unterpfand, die
Lehre, daß es 7 Sacramente gibt, 7 äußerliche be
deutungsvolle Zeichen der durch den heiligen Geist
geschenkten Gnade." Sicher ist das die Ueberzeugung
des heiligen Otto, eine Ueberzeugung, die er nicht
durch die Schule, sondern durch die lebendige
Kirchen lehre erhalten. Wie aber auch die
Scholastiker sich besonderes Verdienst uni Präcisirung
des Sacramentsbegriffes erwarben, bevor nicht Ent
scheidungen der Kirche selber Vorlagen, mochte nicht
leicht ein Künstler sich an die Darstellung der Gruppe
von gerade unseren 7 Sacramenten heranwagen. Ich
habe hier anzuführen die Confessio, welche der Papst
Clemens IV. 1267 dem griechischen Kaiser vorlegte,
und welche eben dieser 1274 auf dem Concil von
Lyon dem Papste Gregor X. überreichte. Das Concil
von Florenz 1439—1442 statuirt endlich in ausführ
licher Erörterung im Decrete Eugens IV. für die
Armenier auch die Kirchenlehre von den 7 Sacra
menten.
Nun wird man sich nicht wundern, daß in den
Bildern der Katakomben und den Sculpturen an alt
christlichen Sarkophagen immer nur einzelne heilige
Sacramente — Taufe, Firmung, heil. Eucharistie,
vielleicht auch das Bußsacrament und die Ehe zur
Darstellung kamen, so auch in den Sacramentarien aus
karolingischer Zeit. Ein besonders reich ausgestattetes
Ritualbuch des XII. Jahrhunderts, geschmückt von
einem Lambacher Priester Haynio, beschreibt N e u-
wirth in den Sitzungsberichten der Wiener Akademie
der Wissenschaften, Philos. Abtheil. 1887, S. 129.
Hier erscheint ein Bildchen, das mit „der letzten Oelung"
Zusammenhängen dürfte. Freilich fehlt die handelnde
Hauptperson: der Priester. Die „letzte Oelung" im
Ritualbnche von Leitomischl 1376 dürfte zu den ältesten
Darstellungen dieses heiligen Sacramentes diesseits der
Alpen gehören. Ich sage: diesseits der Alpen. Denn
anders steht die Sache in Italien. Zeitlich stehen dem
Lyoner Concil zwei Männer nahe, Koryphäen der
Kunst: Dante (geb. 126st) und Giotto (geb. 1274).
Dante müßte nicht in seinen Werken so innig sich mit
dem Engel der Schule, dem heil. Thomas ab Aquino
(f 1274), berühren, um nicht irgendwo sich über
die 7 Sacramente auszusprechen. Er thut dies in der
Wien, 22. November 1890.