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italienischen Paraphrase des Credo. Giotto aber,
der Freund des Dante, bezeichnet eben auch einen
Markstein in der Geschichte der Kunst; er übt seine
Gabe, Gedanken zu malen, in großartiger Weise.
Gedankenties wie irgend ein Gesang der Divinn
Loinmeciin, beziehungsweise wie irgend eine Schilde
rung Dan te's, ist G i o t t o's Bild „das Schiff
Petri", ein Bild der Zeit, in welcher Giotto lebte.
Ein ebenso gedankenvoller Cyclns ist es, den er in
den Basreliefs am Glockenthnrme des Doms von
Florenz entwirft und in welchen die 7 Saeramentc
erscheinen. Einige der Reliefs mögen noch von seiner
Hand stammen, andere führte Andrea Pisano aus.
„Die Entwicklungsgeschichte der menschlichen Gesittung"
so könnte man den Cyclus nennen. In diesen gehören
in der höchsten Stufe die Reinignngs- und Stärkungs
mittel der Kirche: die 7 Sacramente. Nur die „Buße"
scheint zu fehlen, aber an deren Stelle ist Madonna mit
Christo, dem Erlöser, dem Stifter der heiligen Sacra
mente (Näheres bei Förster, Geschichte der Malerei,
II, 156) dargcstellt.
Eine zweite Darstellung unserer 7 Sacramente ent
stand noch im XIV. Jahrhunderte in der Kirche
S. Jncoronata zu Neapel, ein gedankenvoller Cyclus,
eines Giotto würdig, wenngleich die neuere Zeit
das Werk dem Giotto abstreitet. Aber muß denn
wirklich in der Darstellung der „Ehe" jener Hoch-
zeitsbnnd gemalt sein, welchen die Königin Johanna
von Neapel mit Ludwig von Tarent 1347 einging?
Kann der Maler, der in der Kirche der Jncoronata
(welcheerst 1352, also nach Gi otto's Tode, gebaut wurde)
malte, nicht irgend eine Ehe fürstlicher Personen
gemeint haben? Förster sagt nämlich, daß das
Traväe, welches in seinen 8 Deckenkappen diese Bilder
enthält, einem älteren Baue angehört habe, welcher
1352 in den Neubau einbezogen wurde. Gedankentief
bleibt das Bild immer: eines Giotto würdig in
Gedanken wie in Ausführung. Denn wie am Cam
panile in Florenz Maria mit dem Jesuskind nnttcn,
also beherrschend, in der Gruppe der Sacramente er
scheint, so nimmt in der Kirche Jncoronata zu Neapel
„die triumphirende Kirche" die 8. Deckenkappe ein und
beherrscht als Hauptmotiv die ganze Darstellung. Also
dorthin führt der richtige Gebrauch der Sacramente:
in den Himmel, in die Gemeinschaft der triumphircnden
Kirche.
Ein solches dominirendes Mittelbild hat auch die
dritte bedeutende Darstellung der 7 Sacramente, die ich
hier anführen kann: die des Rogie r van der W e y-
den auf einem Flügelaltar, der nun in der Antwer-
pener Gallerie sich befindet. Jean Chevrot, Bischof
von Tournay (1437—1460), hatte ihn für seine Dom
kirche malen lassen. Wohl zweifeln auch hier Caval-
caselle-Springer (Altniederlündische Malerei
S. 263) an der Provenienz von Rogier. Wir haben
uns jetzt nicht ans die Bcrthcidigung der Echtheit des Bit
des einzulassen. Uns ist die Darstellung die Haupt
sache. Folgende gute Abbildungen finden sich außer bei
F ö r st e r: in den Xnnglos nrostäol. Tom. XXI
zu S. 241 (Tod Christi), Tom. XXII., Pom. XXVI.
und XXVII. Hier nimmt der Kreuzestod Jesu Christi
das ganze Mittclbild ein: in die Flügel links und
rechts sind je 3 Sacramente vertheilt. Alles vollzieht
sich in der Kirche; auch die letzte Oelung. Die Kreu
zigungsscene findet in dem Vordergründe einer gothischen
Kirche statt, den Hintergrund bildet der hohe Priesterchor,
abgeschlossen durch eine mächtige Lettuerwaud. In der
Mitte der Lettuerwaud, welche mit einigen Aenderuugen
zum Verständuiß desjenigen zu verwertheu ist, was ich
seinerzeit in diesen Blättern über den Lettner von
St. Stephan geschrieben habe, in der Mitte dieser den
Chor vom Querschifsc abtrenuendeu Wand ist eine hohe
gothische Kapelle, unter deren Baldachin ein Priester
die hl. Hostie nach der Wandlung zur Adoration des
Geheimnisses cmporhcbt. Der Bezug zum Opfcrtodc
Jesu Christi ist jedem Katholiken geläufig. Daß aber
nicht allein der Opfertod Jesu Christi, sondern auch
die letzte Oelung in der Kirche vollzogen wird,
deutet darauf hin, daß eben die Kirche die Spenderin
der Sacramente ist, die Kirche, welche die aus dem
Opfertode Jesu Christi uns znfließenden Ströme göttlicher
Gnade den einzelnen Christen zulcitet. Nicht minder tief
bedeutsam ist die Darstellung ans unserer Domkanzel;
ob etwa der Bildhauer, der sic entworfen, an Rogier
van der Wcyde n anknüpfte, was gar nicht un
möglich ist, oder aber, was mir mehr wahrscheinlich
ist, von einer in Schwaben vorhandenen Sacraments-
grnppe seine Bilder entlehnte. Denn ich gestehe es,
daß ich die schwäbischen Knnstdenkmäler viel zu wenig
kenne, um das Vorbild unserer 7 Sacramente angeben
zu können. Aber an ein Vorbild muß ich denken, denn
eine Meisterhand ist es nicht, welche diese Reliefs
der St. Stephanskirche geschaffen hat. Der Meister
erfindet; der Geselle mag gut combiniren, copiren.
Der Meister der Kanzel hat aber folgende Ge
danken der Gesammtcomposition seiner Schöpfung zu
Grunde gelegt: in dem Predigtstnhle predigt der Priester
als Verkünder des Gottes Wortes dem versammelten
Volke; aber nicht aus seinem Verstände, aus seiner
eigenen Autorität verkündet er seine Lehren; in den
4 Nischen sprechen die 4 großen Kirchenväter des
Abendlandes zum christlichen Volke. Was der Priester
sagt, hat Werth nur dadurch, daß es die Lehre der
Kirche ist, der von Christo gegründeten Bewährerin
und Predigerin göttlicher Offenbarung und Lehre.
Den Aposteln und der Kirche hat der Herr den
hl. Geist gesendet (Joh. 16, 17), der ober dem Ver
künder des göttlichen Wortes schwebt (Joh. 16, 141;
er wird es von „dem Meinen nehmen, und es Euch
verkünden". Aber in der Kirche handelt es sich nicht
blos um die Belehrung der Menschen, sondern
um Erlösung von der Sünde, nm die Leitung zum
Himmel. Und das vollzieht sich in den hl. Sacramenten,
welche Christus in der Kirche hinterlegt hat. Sie rei
nigen den immer wieder der Sünde verfallenden Menschen,
sie kräftigen ihn ans dem Lebenswege, sie schaffen jene
Stände, die wieder den Berns haben, Kinder Gottes
zu erzeugen, in leiblicher nnd geistigen Hinsicht. Wie
ein Träger der 7 Sacramente, so schwebt der hl. Geist
über dem Prediger: eine Mahnung für ihn, nicht nur
z» belehren, sonder» auch zu bewegen nnd auch
ans die Gnadenmittel in der Kirche hinzuweisen, daß
der Sünder den Weg finde zum Himmel; eine
Mahnung für's Volk: daß es in dem Prediger den