Full text: Wiener Dombauvereins-Blatt Nr. 10 (2. Serie) 1890 (10.1890,10 (2. Serie))

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italienischen Paraphrase des Credo. Giotto aber, 
der Freund des Dante, bezeichnet eben auch einen 
Markstein in der Geschichte der Kunst; er übt seine 
Gabe, Gedanken zu malen, in großartiger Weise. 
Gedankenties wie irgend ein Gesang der Divinn 
Loinmeciin, beziehungsweise wie irgend eine Schilde 
rung Dan te's, ist G i o t t o's Bild „das Schiff 
Petri", ein Bild der Zeit, in welcher Giotto lebte. 
Ein ebenso gedankenvoller Cyclns ist es, den er in 
den Basreliefs am Glockenthnrme des Doms von 
Florenz entwirft und in welchen die 7 Saeramentc 
erscheinen. Einige der Reliefs mögen noch von seiner 
Hand stammen, andere führte Andrea Pisano aus. 
„Die Entwicklungsgeschichte der menschlichen Gesittung" 
so könnte man den Cyclus nennen. In diesen gehören 
in der höchsten Stufe die Reinignngs- und Stärkungs 
mittel der Kirche: die 7 Sacramente. Nur die „Buße" 
scheint zu fehlen, aber an deren Stelle ist Madonna mit 
Christo, dem Erlöser, dem Stifter der heiligen Sacra 
mente (Näheres bei Förster, Geschichte der Malerei, 
II, 156) dargcstellt. 
Eine zweite Darstellung unserer 7 Sacramente ent 
stand noch im XIV. Jahrhunderte in der Kirche 
S. Jncoronata zu Neapel, ein gedankenvoller Cyclus, 
eines Giotto würdig, wenngleich die neuere Zeit 
das Werk dem Giotto abstreitet. Aber muß denn 
wirklich in der Darstellung der „Ehe" jener Hoch- 
zeitsbnnd gemalt sein, welchen die Königin Johanna 
von Neapel mit Ludwig von Tarent 1347 einging? 
Kann der Maler, der in der Kirche der Jncoronata 
(welcheerst 1352, also nach Gi otto's Tode, gebaut wurde) 
malte, nicht irgend eine Ehe fürstlicher Personen 
gemeint haben? Förster sagt nämlich, daß das 
Traväe, welches in seinen 8 Deckenkappen diese Bilder 
enthält, einem älteren Baue angehört habe, welcher 
1352 in den Neubau einbezogen wurde. Gedankentief 
bleibt das Bild immer: eines Giotto würdig in 
Gedanken wie in Ausführung. Denn wie am Cam 
panile in Florenz Maria mit dem Jesuskind nnttcn, 
also beherrschend, in der Gruppe der Sacramente er 
scheint, so nimmt in der Kirche Jncoronata zu Neapel 
„die triumphirende Kirche" die 8. Deckenkappe ein und 
beherrscht als Hauptmotiv die ganze Darstellung. Also 
dorthin führt der richtige Gebrauch der Sacramente: 
in den Himmel, in die Gemeinschaft der triumphircnden 
Kirche. 
Ein solches dominirendes Mittelbild hat auch die 
dritte bedeutende Darstellung der 7 Sacramente, die ich 
hier anführen kann: die des Rogie r van der W e y- 
den auf einem Flügelaltar, der nun in der Antwer- 
pener Gallerie sich befindet. Jean Chevrot, Bischof 
von Tournay (1437—1460), hatte ihn für seine Dom 
kirche malen lassen. Wohl zweifeln auch hier Caval- 
caselle-Springer (Altniederlündische Malerei 
S. 263) an der Provenienz von Rogier. Wir haben 
uns jetzt nicht ans die Bcrthcidigung der Echtheit des Bit 
des einzulassen. Uns ist die Darstellung die Haupt 
sache. Folgende gute Abbildungen finden sich außer bei 
F ö r st e r: in den Xnnglos nrostäol. Tom. XXI 
zu S. 241 (Tod Christi), Tom. XXII., Pom. XXVI. 
und XXVII. Hier nimmt der Kreuzestod Jesu Christi 
das ganze Mittclbild ein: in die Flügel links und 
rechts sind je 3 Sacramente vertheilt. Alles vollzieht 
sich in der Kirche; auch die letzte Oelung. Die Kreu 
zigungsscene findet in dem Vordergründe einer gothischen 
Kirche statt, den Hintergrund bildet der hohe Priesterchor, 
abgeschlossen durch eine mächtige Lettuerwaud. In der 
Mitte der Lettuerwaud, welche mit einigen Aenderuugen 
zum Verständuiß desjenigen zu verwertheu ist, was ich 
seinerzeit in diesen Blättern über den Lettner von 
St. Stephan geschrieben habe, in der Mitte dieser den 
Chor vom Querschifsc abtrenuendeu Wand ist eine hohe 
gothische Kapelle, unter deren Baldachin ein Priester 
die hl. Hostie nach der Wandlung zur Adoration des 
Geheimnisses cmporhcbt. Der Bezug zum Opfcrtodc 
Jesu Christi ist jedem Katholiken geläufig. Daß aber 
nicht allein der Opfertod Jesu Christi, sondern auch 
die letzte Oelung in der Kirche vollzogen wird, 
deutet darauf hin, daß eben die Kirche die Spenderin 
der Sacramente ist, die Kirche, welche die aus dem 
Opfertode Jesu Christi uns znfließenden Ströme göttlicher 
Gnade den einzelnen Christen zulcitet. Nicht minder tief 
bedeutsam ist die Darstellung ans unserer Domkanzel; 
ob etwa der Bildhauer, der sic entworfen, an Rogier 
van der Wcyde n anknüpfte, was gar nicht un 
möglich ist, oder aber, was mir mehr wahrscheinlich 
ist, von einer in Schwaben vorhandenen Sacraments- 
grnppe seine Bilder entlehnte. Denn ich gestehe es, 
daß ich die schwäbischen Knnstdenkmäler viel zu wenig 
kenne, um das Vorbild unserer 7 Sacramente angeben 
zu können. Aber an ein Vorbild muß ich denken, denn 
eine Meisterhand ist es nicht, welche diese Reliefs 
der St. Stephanskirche geschaffen hat. Der Meister 
erfindet; der Geselle mag gut combiniren, copiren. 
Der Meister der Kanzel hat aber folgende Ge 
danken der Gesammtcomposition seiner Schöpfung zu 
Grunde gelegt: in dem Predigtstnhle predigt der Priester 
als Verkünder des Gottes Wortes dem versammelten 
Volke; aber nicht aus seinem Verstände, aus seiner 
eigenen Autorität verkündet er seine Lehren; in den 
4 Nischen sprechen die 4 großen Kirchenväter des 
Abendlandes zum christlichen Volke. Was der Priester 
sagt, hat Werth nur dadurch, daß es die Lehre der 
Kirche ist, der von Christo gegründeten Bewährerin 
und Predigerin göttlicher Offenbarung und Lehre. 
Den Aposteln und der Kirche hat der Herr den 
hl. Geist gesendet (Joh. 16, 17), der ober dem Ver 
künder des göttlichen Wortes schwebt (Joh. 16, 141; 
er wird es von „dem Meinen nehmen, und es Euch 
verkünden". Aber in der Kirche handelt es sich nicht 
blos um die Belehrung der Menschen, sondern 
um Erlösung von der Sünde, nm die Leitung zum 
Himmel. Und das vollzieht sich in den hl. Sacramenten, 
welche Christus in der Kirche hinterlegt hat. Sie rei 
nigen den immer wieder der Sünde verfallenden Menschen, 
sie kräftigen ihn ans dem Lebenswege, sie schaffen jene 
Stände, die wieder den Berns haben, Kinder Gottes 
zu erzeugen, in leiblicher nnd geistigen Hinsicht. Wie 
ein Träger der 7 Sacramente, so schwebt der hl. Geist 
über dem Prediger: eine Mahnung für ihn, nicht nur 
z» belehren, sonder» auch zu bewegen nnd auch 
ans die Gnadenmittel in der Kirche hinzuweisen, daß 
der Sünder den Weg finde zum Himmel; eine 
Mahnung für's Volk: daß es in dem Prediger den
	        
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