Full text: Wiener Dombauvereins-Blatt Nr. 10 (2. Serie) 1890 (10.1890,10 (2. Serie))

von der Kirche bestellten Verkünder des göttlichen 
Wortes (Kirchenväter), den Wegweiser zum Himmel 
erkenne, woher der hl, Geist gekommen ist; daß es 
den Weg zum Himmel suche und unermüdlich aus dem 
selben wandte, sich reinigend und stärkend auf der 
Himmclsrcise durch die Saeramenle, durch die jeder 
Einzelne das wird, was er sein soll, ein Tempel des 
hl, Geistes, ein künftiger Bewohner des Himmels, 
Jünger als unsere Darstellung ist die am Tabcrnakel- 
ban des Hochaltars in der Kirche zu Hal bei Brüssel, 
Hier tritt naturgemäß wieder das hl. Altarssacrament 
in den Vordergrund, so daß sich als Schlußergebniß 
Folgendes heransstellt: sollte nicht irgendwo in Schwaben 
eine ähnliche Darstellung der 7 Saeramcntc auf einer 
Kanzel sich finden, dann steht die St. Stephanskanzel meines 
Wissens geradezu einzig da in der Tiefe der Ge 
danken, die an die - hl, Saeramenle sich knüpfen. Bis 
ich nicht andere Beispiele analoger Composition finde, 
halte ich mich für berechtigt, sie auch in dieser Be 
ziehung als vollendetes Meisterstück ersten Ranges zu 
erklären, selbst wenn dip wirkliche Ausführung hinter 
den-Intentionen des Schöpfers der Kanzel zurückblieb. 
Die ältklleBcjchrtiliumi dtrMctwpiüilan- 
Kirche ;u St. Stephan. 
(Fortsetzung.) 
XI.IV. 
Im Jahre 1510 hat Archangelus de Weintrab, 
Ord. S. Francisci, diese Congregation aller Verdienste 
des Franziskanerordens theilhaftig gemacht. 
Am 15, Jänner , 1512 ist ihr ein Ablaßbrief von 
dem sechsten Wiener Bischöfe Georg Slatkonia crtheilt 
worden, von dem überdies noch ein zweiter, vom 
18. Juni 1514 datirter, vorhanden ist. 
Unter diesem Bischof, ist die Ketzerei des Luther ent 
standen, dessen Anhang, so wie anderwärts auch hier, 
alle dieser Bruderschaft gehörigen Stiftbricfe weggenom- 
mciwund sie mit anderen derglichen Schriftstücken im 
„Loblischen Haus bei der Bastei" aufgehoben hat, wy 
sie aber später in einer drei Tage und Nächte dauern 
den Fenersbrnnst in Ranch aufgegangen sind, so daß 
von den alten.. Schriften keine mehr vorhanden sind, 
als die obcrwähnten Briefe, 
Nachdem aber durch besondere Gnade Gottes das 
Lutherthum ans diesen Ländern gebannt und ansge 
rottet worden, ist diese Congregation nicht allein zu 
ihrer vorigen Blüthe gekommen, sondern zu noch 
viel höherer Würde gestiegen, wie — (Gott Lob!) — 
solches heutigen Tages noch zu sehen ist. 
Ungefähr um das Jahr Christi 1610 hat der 
römische Kaiser- Mathias sammt seiner Gemalin, glor- 
würdigen Andenkens, eine , Verordnung des Kaisers 
Friedrich 111, (der 53 Jahre lang regierte) aus dem 
Jahre 1445 erneuert, die des Lutherthnms wegen 
außer Hebung gekommen war. 
Es soll nämlich wiederum das hochwürdigste Snera- 
ment, wenn es von dieser Bruderschaft und ihren Dienern 
zu den KraiUtzir'getragen wird, zu größerer Feierlich 
keit mit einem „Himmel", zwei Fähnlein, Laternen und 
etlichen Windlichtern begleitet werden, und die zu 
diesem Dienste gebraucht würden, sollen mit rothen 
Unter- und weißen Ueber-Chorröcken bekleidet sein. 
Um das Jahr 1633 hat der hochwürdige Herr 
Laurentius Haberel, damals Curat, später aber der 
hiesigen Domkirche Capitnlar, Cantor und Senior, aus 
eigenen und von andächtigen Bürgern beigesteuerten 
Mitteln eine Wallfahrt von St. Stephan ans 
nach Unserer Lieben Frauen Maria-Zell ver 
anstaltet und sie selbst bis 1673 fortgesetzt, in welchem 
Jahre deren Einverleibung in die Corporis-Cbristi 
Bruderschaft erfolgte. Die Procession pflegt alljährlich 
am 11, August ihren Anfang zu nehmen. Der Gottes 
dienst ist vor Zeiten in der Mitte der Kirche auf 
dem St, Markusaltarc abgehaltcn worden, findet aber 
seit dessen Entfernung auf dem Hochaltäre statt, 
Herr 'Caspar Kern, seeliger Bürger und Handels 
mann allhier, hat dieser Bruderschaft einen hohen und 
ansehnlichen Leuchter (Luster), der unter den 
Anderen, von denen oben die Rede war, hängt, ge 
spendet und dazu gestiftet, daß am ersten Donnerstage 
eines jeden Monats unter dem Corporis-Christi-Amte 
darauf 24 Kerzen angezündet werden sollen. Das 
Capital zu 500 fl. hat die löbliche Bruderschaft auf 
sich genommen, 
xuv. 
Diese C o rp or is - Ch r ist i-Br u d er schüft ist 
nach der Einsetzung des allerheiligsten Fronleichnams 
festes entstanden, von welchem Johannes Chapiaville, 
Generalvicar zu Lüttich, in seinem Traetate von dem 
allerheiligsten Altarssacrämente schreibt, daß es Papst 
Urban IV. wegen nachfolgend erzählter Offenbarung 
eingesetzt und zu halten befohlen hat. 
Es war im Jahre 1191, daß in Lüttich eine 
„namhafte Person" "), die einen heiligen Lebenswandel 
führte und deshalb schon vieler himmlischen Offen 
barungen gewürdigt worden war, auf's Neue von Gott 
die Offenbarung empfing, daß es ein der göttlichen 
Majestät sehr wohlgefälliges Werk wäre, wenn zu 
Ehren und zum Gedächtnisse der Einsetzung des hhl. 
Sacramentes des Altars ein besonderes Fest angeordnet 
und gehalten würde. 
Als . Bischof Robert ns und seine Theologen 
Kenntniß hievon erhielten, befahl jener, daß im ganzen 
Bisthüine das Fest des hl. Fronleichnams mit 
höchster Solennität und Andacht begangen werden solle. 
Die Lüttich'sche Geistlichkeit setzte auch nach dem zeit 
lichen Ableben des Bischofs diesen Befehl in's Werk. 
Der Nachfolger im Bisthum, Henricus, aber be 
richtete den ganzen Vorfall an den Papst Urban, 
Inzwischen hatte sich mit dem hhl, Saeramente ein 
großes Wunder zngetragen. 
Als nämlich Papst Urban IV, zu Viterbo in 
Italien war und ein Priester zu Vulsino, sonst 
Balseno (lies: Bolsena) genannt, die hl. Messe eelebrirte, 
dabei aber an der wahren Gegenwart Christi in der 
eonsecrirten Hostie zweifelte, fing das hl, Blut an 
in solcher Menge ans dieser Hostie zu fließen, daß 
nicht nur die Hände des zweifelnden Priesters, sondern 
auch das Corporale ganz davon befeuchtet wurden. 
") Die Klosterfrau Juliana,
	        
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