Full text: Wiener Dombauvereins-Blatt Nr. 22 und 23 (2. Serie) 1893 (13.1893,22-23 (2. Serie))

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Neustadt." So wie mm das erste Bild (a» der Schmal 
seite) mitten die hl. Maria hat, so auch jedes mittlere 
Bild, also Bild 1, 3, 5, 7. 
Aber auch die anderen Bilder haben mitten ein 
Heiligenbild. 
Bild 2. OLVO 8. 6VOL6II (u. s. w.) zeigt 
mitten den hl. Georg, Wohl in der Tracht des Ordens 
meisters, genugsam gekennzeichnet durch den ihm zu 
Fußen liegenden Drachen. Rings um ihn die Ritter 
mit ihrem Vorstande. Bezieht sich auf die Bestätigung 
des Ordens vom Jahre 1469 st. 
Bild 3 stellt in einer idealen Weise die Säcular- 
cleriker an der Domkirche und den Bischof von Wiener- 
Neustadt vor. Die beiden Jnfulirten können nur sein: 
der Propst des Domcapitels Michael A l t k n n d, der 
seit 1466 Bischof von Petina war, aber in Neustadt 
residirte und der Decan Petrus Engelbrecht, 
welcher lange nach Altkunds Tode (der erste) Bischof 
von Neustadt wurde. Da Altknnd im Jahre 1470 
(4. Aug.) starb, stellt das Bild eine Gruppe aus 
diesem Jahre dar. (Siehe Bo ehe im, Chronik von 
Wr.-Neustadt, II, 137.) 
Das 4. Bild: vor dem hl. Ulrich knieen zwei 
infulirte Prälaten, ringsum Chorherren, führt uns 
ungesähr in's Jahr 1469 (vgl. Regest Chmel 
Nr. 5655 vom 12. Aug. Graz) oder 1470, aus 
welchen Jahren wir Schenkungen des Kaisers für die 
regulirten Chorherren von St. Ulrich in Neustadt 
kennen. (Boeheim, Chronik v. Wr.-N., II, S. 210, 
Note 14.) — Zu beachten ist hier die Inschrift: 
8. VVLI6I. 
Ich hebe dies hervor, weil an diesen 4 Bildern, 
welche die Neustüdter Gründungen betreffen, der Titel 
der Heiligen lautet: 8Ldi6'I'V8., au den 4 anderen 
Bildern wird der Titel VIVV8 verwendet, welcher 
für die Heiligen wohl weniger paßt, vielmehr durch 
die Humanisten in die Inschriften dürfte gebracht 
worden sein. (Siehe in der Note 2: tswxli äiui 
8rsx1mni statt sunoti.) Ich werde Wohl nicht sehr 
irren, wenn ich mindestens diese Inschriften für 
die jüngeren erkläre. 
Das 5. Bild mit der Inschrift. . VIVI vv(Mä.vvI 
stellt die doppelte (ältere und jüngere) Begründung des 
Franziskaner-Klosters in Graz dar, es führt bis in's 
Jahr 1463 zurück (zu vgl. ist: vaoiss nasosutis et 
suoorssosntis vrovinoius 8srap>bioo-4eustrig.oa6. vatis- 
bonas xuA. 138 und 140). 
Das 6. Bild: OUVO VIVI v4rVVI u. s. w. 
Mitten die hl. Einsiedler Paulus und Antonius, um 
sie die Mönches; weist auf's Jahr 1456 (vgl. Egerer, 
RraZmkm xurnis 6orvi protosiömitioi. Vinckob. 1663, 
puA. 218), da die Pauliner nach Neustadt verpflanzt 
wurden. 
Das 7. Bild stellt dar die Einverleibung des Klosters 
Obcrburg in das Bisthum Laibach. Mitten Maria: 
2 Infulirte vor ihr. Heraldisch rechts ein Mönch, 
die Brille auf das Buch gelegt. Cleriker, Bürger und 
Frauen füllen den Raum. Eine ebenso ideale Dar 
stellung, wie das 3. Bild Nach dem Tode des Abtes 
0 Urkunde bei Hormayr, Wien, V, Urkundenbuch, 
S. 6X0 (wo das Datum 1468 gemäß der Datirung vom 
5. Jahre des Papstes Paul II. in 1469 umzurechnen ist). 
von Oberburg Kaspar P i n t e r, 1461, verbot der 
Kaiser die Wahl eines neuen Abtes, weil er Oberburg 
zur Begründung eines neuen Bisthums Laibach (als 
Dotation) bestimmt hatte. Gründungsurkunde von1461st. 
Die Mönche wählten doch. Streit bis 1465. Als der 
Papst die Bisthumsbegründung bestätigte (1469), gab 
es keinen Abt von Oberburg, und doch stellt das 
Bild höchstwahrscheinlich den Bischof von Laibach und 
den Abt von Oberburg unter den zwei Jnfulirten dar. 
— Es steht also dem Leser frei, zwischen den Zahlen 
1461, 1465, 1469 zu wählen. Inschrift: 
8RLir.IVLl VIVU VVL0MI8 Idl 06L(kL)6VL(1 
u. s. w. (vgl. I a n i s ch, Topogr -statist. Lexikon von 
Steiermark, II, s. v. Obcrbnrg.) 
Das 8. Bild führt uns nach Neustadt zurück. In 
schrift: VIVI kvRLI n. s. w. Mitten St. Petrus 
ans dem Throne, mit dreifacher Krone. Vor ihm zwei 
Infulirte, Dominikaner-Mönche füllen den Raum. Es 
handelt sich um die Ucbersetzung der Dominikaner aus 
ihrem alten Heim, dem spätere» Neukloster, nach 
St. Peter, 1444. (Ist es ein Zufall, daß St. Petrus 
mit der Tiara einem Christusbilde von Jan van Eyck 
sehr ähnlich ist?) 
Wie man sieht, dreht sich gerade die bedeutendste 
Gruppe in diesem Cyclus um das Jahr 1470 (und 
zwar vor dem 4. August), so daß wir annehmen 
können, daß vor diesem Zeitpunkte (und wieder nicht 
vor December 1468, d. i. der Romreise des Kaisers)-') 
mindestens die Visur für das ganze Denkmal mit allen 
Bildern, selbst auch für die Balustrade fertig gewesen sein 
muß. Die Bilder selber konnten darnach langsam gearbeitet 
werden, doch steht fest, daß das Bild, welches die 
Regulirten Canoniker von St. Ulrich behandelt, vor 1486 
muß fertig gewesen sein, weil in diesem Jahre St. 
Ulrich nicht mehr bestand, sondern auf Nimmer 
wiedersehen dem Erdboden gleichgemacht wurde, um 
dem belagernden Ungarn keinen Stützpunkt zu lassen. 
Aehnliches kann auch vom Säcular-Capitel gesagt werden, 
doch mit dem Unterschiede, daß es schon 1476 nicht 
mehr als solches bestand. 
Ich muß mich, da mir Archivalieu über diese Ent- 
stehenszeit der Mouumentdarstellungeu nicht vorliegen, 
für diese Umgrenzung des Zeitraumes ans die Bilder 
allein beschränken, lieber den architektonischen Theil 
mit seinen feinen Statuen weiß ich gar nichts. Nur 
da ich finde, daß der hl. Leopold dargestellt ist, schließe 
ich, daß auch diese Ecke, wo die Statue erscheint, nicht 
vor 1469 sei gemacht worden, das heißt, daß auch 
sie in die Visur hineingehört, was sich eigentlich von 
selbst versteht. 
Aber daß die Ausführung dieser Bilder lange Zeit 
erforderte, zeigt ihre Arbeit; sie sind in virtuoser 
Weise als Hautrcliefs gearbeitet, daß fast jede Figur 
frei für sich dasteht und erforderten, abgesehen von der 
Feinheit der Gesichter, dem sprechenden Ausdruck, der 
st Chmel, Oesterr. Geschichtsforscher, I, S. 344. 
st Die päpstl. Bullen, die der Kaiser erwirkte, gehören 
alle in den Anfang des Jahres 1469 (d. h. in das fünfte 
Jahr des Pontificates Paul II., dessen Jahre vom 16. Sept. 
bis 15. Sept. gerechnet werden müssen). — Siehe des. Pastor, 
Gesch. d. Päpste (1. Ausl.) I, 375 ff über die Verhandlungen 
zwischen Papst und Kaiser, S. 377.
	        
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