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spärlich fließen, damit man aber auch, im Zusammen
halte mit dem, was wir in Neustadt und Wien von
M. Niclas besitzen, sich darüber ein Urtheil bilden
kann, ob Bode (Gesch. d. deutschen Plastik, S. 200)
den M. Niclas gerecht beurtheilt, wenn er die Wahl
des Kaisers eine „kaum sehr glückliche" nennt. Viel
mehr wird man ersehen, daß in Deutschland man damals
mit hohen Lobeserhebungen über M. Niclas sprach:
Feil in Schmid t's Kunst und Alterth. 1, Heft,
S. 7. — Quast n. Otte, Zeitschr. f. christl. Arch.
u. Kunst, II, 292. — Kunsttopographie von Dr.
W. Lotz. 1862. — Otte, kirchl. Knnstarch. I, 288,
II, 661, 665. — Mitth. der Central-Comm. 1869,
S. 101.
Wenn nun dieser M. Niclas 1467 für den Kaiser
einen Grabstein machen soll, so liegt die Frage nahe:
welchen? Den für die Kaiserin? Den für den Kaiser
selber? Aber letzterer gehört der ganzen Conception
nach mit der Tumba zusammen, und die Tnmbabilder
können gar nicht vor 1468, richtiger 1469, auch
in der Zeichnung (Visur) nicht, auch nur begonnen
worden sein.
Da ich andere Werke des M. Niclas in Wr.-Nen-
stadt und Wien nicht kenne (denn den Grabstein der
Kinder des Herzogs Ernst hat sicher ein dem M. Niclas
ganz und gar nicht ebenbürtiger Meister gemacht), so
bleibt mir nichts Anderes übrig, als anznnehmen, daß
seit 1467, oder noch früher, M. Niclas am Grab
steine der Kaiserin Leonora gearbeitet habe. Ich sage
früher, denn es ist unfraglich, daß der Leonorenstein
im Neukloster hohe Porträtähnlichkcit besitzen muß.
Der Meister muß die Kaiserin vor ihrem Tode ge
sehen haben, hat aber auch höchstwahrscheinlich noch
vor ihrem Tode den Auftrag erhalten, ihren Grab
stein zu machen. Sie mochte ja selbst, seit jener unglück
lichen Rückkehr von Heiligenkrenz nach Baden, sich mit
Todesgedanken getragen haben. °)
Thatsächlich wurde im Jahre 1468 an einem Grab
steine ans Rechnung des Kaisers gearbeitet (4X8. Xs^.
112 0, 20. März. Graz). Es kommen 12 Talente
auszuzahlen für Arbeit eines Grabsteines und noch
einmal unter dem 9. Oet. (Graz). (C h m e l, Regest
Nr. 5495) 97 Pfd. Pfg. Wer aber die Arbeit ge
liefert habe, ist nicht angedcntet. Auffallend ist, daß
gerade der Mauthner von Rottenmann die Auszahlung
zu leisten hat.
Erst im Jahre 1469 treffe ich den Namen urkund
lich, welchen Wencker anführt, M. Niclaus, Bild-
hawer von Straßburg, und der kann kein anderer sein,
als jener, welcher seit Duellius als M. Niclas Lerch
bekannt ist. Das Manuseript Nr. 417 des k. k. geh.
Hof- u. Staatsarchivs zu Wien hat toi. 88b unter dem
2. Juni 1469 ein Regest 0, enthaltend den Auftrag
des Kaisers an den Bischof Ulrich von Passan, dein
M. Niclaus, Pildhawer von Straßbnrg,
0 Siehe Birk, feierliche Sitzung der Wiener Akademie
1858, S. 186.
-) Vgl. Chmel, Regest Nr. 5874. Register der Ge
schüftsbriefe von 1466 im kaiserl. Staatsarchive toi. 62 nnd
toi. 80.
°) Damals war der Kaiser in Wr.-Neustadt (Chmel,
Regesten Friedrich IV. (III ).
vom Kanzleigelde auszuzahlen 200 fl. für die Arbeit,
welche dieser für den Kaiser gethan habe und noch
hiefür thun soll (vgl. Chmel, Reg. Nr. 5581).
Wie kann er bezahlt werden für eine Arbeit, die er
noch hinfür thun soll? Ich glaube, daß eben die unter
der Hand des Künstlers befindliche Arbeit nicht fertig
war, nnd daß er noch nicht definitiv dafür bezahlt
Wird. (Das Regest ist abgedrnckt unter der Nr. 123
im Jahrb. d. knnsthist. Sammlungen (4X8.) des Aller
höchsten Kaiserhauses, I. Bd. Urkunden)
Aber was macht M. Niclas in Passan oder im
Gebiete dieser Stadt? Ist er ans dem Heimwege nach
Straßburg? Wie geht das damit zusammen, daß er
noch unvollendete Arbeit hat, für die er Abschlags
zahlung erhält? Oder ist er erst ans dem Wege nach
Oesterreich? Oder aber hat er den großen Leonoren-
stein, der jetzt 2 75 Meter hoch nnd 1 46 Meter
breit ist, in Salzburg oder Passan im Rohen gearbeitet,
bringt ihn ans dem bequemeren und sicheren Wasser
wege nach Wien nnd von da nach Neustadt, wo er
erst fertiggcstellt wird? Letzteres erscheint mir als
das Wahrscheinlichste.
Wahrscheinlich war bald darauf der Leonorenstein ab
geliefert nnd mag dieses der Grund sein, daß M. Niclas
in den Rechnungen nicht vorkommt. Vielleicht hatte er
mit der Visur des Kaiser-Denkmales zu thun, vielleicht
weilte er gar nicht in Wr.-Neustadt, sondern arbeitete
anderswo für den Kaiser. Erst 1479 treffe ich wieder
eine Notiz, welche ganz deutlich vom „Grabsteine des
Kaisers" spricht.
Die Wiener Kammeramtsrechnnng vom Jahre 1479,
toi. 54b (zum 8. August): Dominion : Loos Dsn^
nckillllnt: cka.3 bolo^vsrolc ab ckon prnolrbn oxsrnnmsn
als man vnssr allsvAN. Xsrrn ckss Lim. Xam. sto.
Arabstsin in ckis Xsustrckt Askart bat (vgl. Schlager
Skizzen, Neue Folge. III, S. 214). Das kann nicht der
Leonorenstein, das muß der Grabstein des Kaisers
sein, denn an dem einfachen Wort des Stadtkämmerers
mag ich nicht herumdenteln. Es kann auch nicht das
Rohmateriale für die Tnmba oder andere Werkstücke
bedeuten, denn diese Stücke sind nicht so riesig, konnten
leicht auf verschiedene Wägen verladen werden, so daß
eine Herstellung der Brücken im Weichbilde der Stadt
Wien nicht durch sie, wohl aber durch ein nntheilbares
Stück von 8000 Kgr , was der Deckel des Kaiscrgrabes
wiegt, nothwendig erscheint. Hier liegt also sicher der
Transport zu Wasser nach Wien nnd von da zu
Wagen nach Neustadt, auf der Hanptstraße,
deutlich erkennbar vor. Zudem läßt schon 1478 der
Kaiser einem Steinmetz Max Valmet „vnserm
Steinmetz" zu Nothdnrften nnsers Grabstein 80 Pfd.
Pfennige auszahlen (4X8. Reg. Nr. 155). Leider er-
fahren wir nicht wo? Aber so viel dürfen wir sagen,
daß das Wort Grabstein sicher nicht das Grabmal be
deuten kann, da dies dort, wo unzweifelhaft von ihm
die Rede, niemals Grabstein, sondern immer
„Grab" heißt.
Auch in Wr.-Nenstadt waren Vorkehrungen getroffen.
Schon 1478 (4X8. Reg. Nr. 147) ließ der Kaiser
gegossene Säulen „für seinen Sarg" Herstellen und
sorgte für wehrhafte Zapfen. Auch von einer Visur ist
die Rede, die ich auf die neue Gestalt des Monumentes