Full text: Wiener Dombauvereins-Blatt Nr. 26 und 27 (2. Serie) 1893 (13.1893,26-27 (2. Serie))

Wiener 
XIII. Jahrgang. Wien, 14. November 1893. Nr. 26 nnd 27 (2. Serie). 
Mitthcilungkn aus der Dmntianhülte. 
Die Restaurirungsarbeiten im Innere» der Vorhalle 
beim Singerthore sind im Laufe dieses Jahres um ein 
Beträchtliches vorgeschritten : der figurale Schmuck des 
Singerthores ist beinahe vollständig renovirt, für die 
leeren Figurennischen der Vorhalle wurden drei neue 
Statuen angefertigt, und die Ergänzungen an der reich 
gegliederten Architektur dieser Vorhalle sind so weit 
gediehen, daß die Vollendung der Arbeiten zu 
Beginn des nächsten Jahres zu gewärtigen ist. 
Mit der Restaurirung der Chorgalerie wurde im 
berflossenen Frühjahre begonnen. Bekanntlich hat diese 
Galerie durch die treibende Wirkung des zum Aus 
gießen der Fugen und Steindübbel verwendeten 
Cementes sehr gelitten, es mußteinfolge dessen schon 
vor Jahren der größere Theil der Fialen wegen ihres 
bedenklichen Zustandes entfernt werden. Schon beim 
Abtragen der ersten Partie der Galerie wurde die 
wenig erfreuliche Wahrnehmung gemacht, daß außer 
den sichtbar beschädigten Werkstücken auch solche durch 
Haarrisse gespalten waren, welche von außen noch 
mtact erschienen; es mußten daher für den nunmehr 
restaurirten Theil der Galerie weit mehr neue Stücke 
hergestellt werden, als ursprünglich angenommen werden 
konnte. 
Von den am Aeußeren des Domes befindlichen 
Grabdenkmalen wurden folgende einer Renovirung 
Unterzogen: 
An der Hauptfaaade: die Grabdenkmale des 
Studiosus Friedrich Schmidt, f 1567 ; des Georg 
Herbst, Mitglied des inneren Rathcs, Super 
intendent des Bürgerspitales, f 1602 ; des Apothekers 
Augustin Holdtt, f 1509; des Georg Prügl, 
Mitglied des inneren Rathes zu Wien, f 1609 ; des 
Achatzy Mül ln er, Sattler, f 1539; des Stein- 
Wetzen Georg Pruncr, f 1701, und des Stadt 
richters Dr. Jakob Hilm reich, f 1570. An der 
Südwand der Herzogencapelle: das Grabdenkmal des 
Wolfgang Eg lauer, Bürger zu Wien, f 1573, 
und endlich an der oberen Sacristei: die Grabplatte 
des Sebald Stambler, Handelsmann und Mit 
glied des äußeren Rathes, f 1560. 
Eine kleine Arbeit in der Katharinencapelle, näm 
lich die Ausbesserung der feuchten Wände, bot Ge 
legenheit, die vom Herrn Regierungsrathe Dr. Ilg 
iw Dombanvereinsausschusse angeregte bessere Placi- 
rung des großen, mittelalterlichen Crucifixes in der 
selben vorzunehmcn. 
Nachdem an maßgebender Stelle die Bewilligung 
hiezu erlangt wurde, konnte das bisher an einer 
schlechtbeleuchteten Wand ziemlich hoch über dem 
Taufstein hängende Crucifix an einer günstiger be 
leuchteten Wandfläche, links vom Eingänge der Capelle, 
angebracht werden. 
Mit der Aufstellung der vom Bildhauer Franz 
Erler ausgeführten vier Statuen (die Heiligen 
Elisabeth, Joseph, Johannes Baptista und Joachim) 
ist die statuarische Ausschmückung des Franenchores 
abgeschlossen. 
In jüngster Zeit wurde in das zweite Fenster der 
Herzogencapelle ein neues Glasgemälde eingesetzt, 
welches infolge eines von dem am 2. Juni 1864 
verstorbenen Herrn Joseph Lobmeyr testirten und 
von dessen Bruder Herrn Ludwig Lobmeyr er 
gänzten Legates hergestellt wurde. In diesem, nach 
den Cartons des Malers Karl Iobst von der Glas 
malerei Karl Geyling's Erben ausgeführten Glas 
gemälde sind nebst den Heiligen Joseph und Ludwig 
Darstellungen aus den Legenden der Heiligen Remi 
gius und Leonhardus angebracht, und zwar: Remi 
gius wird Bischof von Reims, die Taufe des Königs 
Chlodwig durch Remigius, Remigius bekehrt den 
arianischen Bischof, Abt Leonhardus befreit einen 
Gefangenen von den Fesseln, Leonhardus als Kloster 
gründer und auf Leonhardus' Gebet entspringt eine 
Quelle. 
Gelegentlich der Herstellung des Fundamentes für 
das Starhcmberg-Denkmal in der Halle des hohen 
Thurmes wurden unter dem Bretterbelage des Fuß 
bodens fünf alte Grabplatten aus Marmor vorgc- 
funden, welche der erwähnten Arbeiten halber aus 
gehoben werden mußten ; die Inschriften dieser Platten 
sind so stark abgetreten, daß es bisher noch nicht gelungen 
ist, aus den wenigen noch lesbaren Worten deren Zu 
gehörigkeit zu bestimmen. H- 
Der Pritllerchor in St. Stephan. 
Von Prof. Dr. W. A. Ncunian». 
I. Der Hochaltar. 
Es ist die Annahme gerechtfertigt, daß in der 
ältesten romanischen Kirche St. Stephan der Hochaltar 
in der Mittelapside stand und dem hl. Stephan ge 
weiht war. Ueber die Einrichtung dieses Priesterchores 
ist nichts bekannt. Aus der Zeit, als schon der neue 
Chor (Erweiterungsbau) fertig stand, erfahren wir
	        
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